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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Das stimmte doch überhaupt nicht. Ich fühlte mich gräßlich in dem Zimmer und fror wie ein Schneider. Ein elektrischer Heizofen wäre ein wahres Gottesgeschenk gewesen.
    Und doch - ich versuchte mir klarzuwerden, warum ich etwas dagegen hatte... der Heizofen gehörte einfach nicht ins Zimmer, das war alles...
    »Schläfst du wenigstens gut, Kind?« erkundigte sich May mit mütterlicher Besorgnis.
    »O ja. Ich schlafe ausgezeichnet.«
    »Das Zimmer war immer schon ekelhaft kalt«, bemerkte William, während er sich noch eine Ladung Kartoffeln nahm. »Aber der Rest des Hauses ist auch nicht viel besser.
    Trotzdem hab ich mich nie beschwert. Als ihr ausgezogen wart, du und Ruth«, sagte er zu Elsie, »hab ich das vordere Zimmer bekommen, und ich hab mir fast den Hintern abgefroren, aber beklagt hab ich mich nie. Ihr wart immer schon zwei richtige Zimperliesen.«
    Ich lächelte, als William mich ansah.
    »Zimperliesen, hm?« sagte er zwinkernd.
    Ich lachte nur. »Es ist auszuhalten. Wirklich. Die Kälte, meine ich, Es ist ja schließlich auch ein altes Haus, nicht wahr? Kein Wunder, daß man da nachts merkwürdige Dinge hört.
    Das ist eigentlich der einzige -«
    »Was sagst du da? Merkwürdige Dinge? Wovon redest du?«
    »Ach, du weißt schon.« Ich spielte mit meiner Gabel. »Mitten in der Nacht wacht man von irgendwelchen komischen Geräuschen auf. Ist dir das nie passiert?«
    Er zog die Brauen hoch. »Ich kann mich nicht erinnern. In dem Haus gibt's keine Geräusche. Dazu ist es zu solide gebaut. Ganz im Gegensatz zu den Bruchbuden, die sie heute hochziehen. Vor hundert Jahren hat man noch für die Ewigkeit gebaut. Nein, mich haben nachts nie Geräusche geweckt. Hier, in unserem Haus, da knarrt und knackt es immer irgendwo, nicht wahr, May?«
    »Aber ich meine«, fuhr ich hastig fort, »hast du dir nie Gedanken über das Haus gemacht? Hast du nie seltsame Geräusche gehört oder vielleicht - vielleicht etwas Merkwürdiges gesehen? Ich meine, irgend etwas Unerklärliches.« Er starrte mich verständnislos an.
    »Was willst du damit sagen, Andrea?« fragte Elsie, während sie sich Wein einschenkte. »Daß es im Haus spukt?« Wieder lachten sie alle - William, Elsie, May. Ed lächelte nur und aß weiter.
    »Nein, das meinte ich nicht«, erwiderte ich, obwohl ich genau das gemeint hatte. »Es hätte mich nur interessiert, ob -«
    »Hast du denn etwas gesehen, Andrea?« fragte May. »Nein, nein, natürlich nicht. Aber in Los Angeles, wißt ihr, wenn da ein Haus hundert Jahre alt ist, dann - na ja, dann gibt es immer irgendwelche Geschichten über es. Schauermärchen manchmal.«
    »Nein, hier ist das nicht so«, sagte William, nahm sich das letzte Stück Braten, leerte die Soße aus der Schale auf seinen Teller und stellte die Schale krachend wieder weg. »Dazu gibt's hier viel zu viele alte Häuser. Wenn da jedes sein eigenes Gespenst hätte - du lieber Schreck! Wenn du Spukgeschichten nach Amerika mitnehmen willst, mußt du nach Penketh fahren. Hier in der Gegend können wir mit so was nicht dienen. Wir haben keine Zeit für Gespenster.«
    Elsie neigte den Kopf leicht zur Seite und sah mich über den Tisch hinweg an.
    »Enttäuscht, Andrea?«
    »Ach wo! Keine Spur. Ich war nur neugierig.«
    »Die Amerikaner haben komische Vorstellungen von England, hm?« meinte William.
    »Als lebten wir alle in Gruselhäusern. Tut mir leid, Kind, keine Geister weit und breit. Denen ist es hier viel zu kalt.« Er lachte dröhnend, und ich wünschte, ich hätte das Thema nicht aufs Tapet gebracht.

    »An unserem alten Haus ist nichts Geheimnisvolles, nicht wahr, Elsie?« sagte er, wieder ernst werdend. »Ich bin 1922 in dem Haus geboren und habe fast bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr dort gelebt. Nicht ein einziges Mal habe ich was Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Es war immer ein angenehm ruhiges Haus. Gut gebaut. Solide. Nicht wie diese windigen Dinger von heute. Christine spart schon eifrig, um sich irgendwann mal eines von diesen alten Häusern draußen in...«
    Ich zog mich aus dem Gespräch zurück. Schweigend stocherte ich in meinem Essen.
    Ich war irritiert und enttäuscht. Ich hatte gehofft, meine unheimlichen Erlebnisse in dem alten Haus wären nichts Neues, und meine Verwandten könnten von ähnlichen Begebenheiten erzählen. Aber sie hatten nichts zu erzählen. Gar nichts.
    Nach dem Essen, bevor William und May zum gewohnten Besuch im Krankenhaus aufbrachen, beschloß ich, meine Mutter anzurufen. Meine Verwandten

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