Haus der Lügen - 8
gleichermaßen – weiter bei ihren Geschützen und feuerten, so rasch sie nachladen konnten.
Der Charisianer setzte seine Schüsse nach wie vor recht tief, jagte eine Breitseite nach der anderen geradewegs in den Rumpf der Rakurai , schlachtete immer weiter Matrosen ab, während die Scharfschützen in der Mars des Charisianers immer wieder auf ihre dohlaranischen Gegenstücke oder das rauchverhangene Deck feuerten. Doch wenigstens einige der charisianischen Schüsse gingen zu hoch, und das Deck der Rakurai war mit herabgestürzten Tauen und Taljen übersät. Der Captain schalt sich selbst dafür, nicht die schützenden Netze aufgespannt zu haben, die er an Bord der charisianischen Galeonen gesehen hatte, bevor die ersten Schüsse fielen. Offensichtlich hatte der Feind diese Netze quer über seine Decks gespannt, um herabstürzende Trümmer – und Leichen – abzufangen. Raisahndo nahm sich vor, in seinem Bericht an Graf Thirsk zu empfehlen, auch Dohlar möge sich diese Technik zu eigen machen.
Dazu musste er natürlich erst einmal dazu kommen, diesen Bericht auch abzufassen .
Zhon Pawals Blick zuckte gen Himmel, als über ihm etwas krachte. Einen Moment lang wusste er nicht, was es gewesen sein könnte. Dann aber riss er entsetzt die Augen auf: Die ganze Großstenge stürzte herab! Oh Scheiße! , sagte eine innerliche Stimme beinahe schon ruhig. Da ging der Captain bereits vor dem Trümmerregen in Deckung.
»Ja-woll!«
Erst als Captain Ahndair Krahl von HMS Bédard den Triumphschrei hörte, begriff er, dass er selbst ihn ausgestoßen hatte. Wahrscheinlich kein angemessenes Verhalten für den Captain eines Schiffes Seiner Majestät des Königs, aber herzlich egal. Krahl hatte das Gefühl, seine Schützen würden schon seit Stunden immer weiter auf die Charisianer feuern (da mochte seine Taschenuhr ihm erzählen, was sie wollte). Bislang aber hatten alle diese Schüsse keinen erkennbaren Effekt gezeigt. Krahl hatte es noch nicht einmal geschafft, diesen Mistkerl von Feind-Captain dazu zu bewegen, seine Feuerkraft auf die Bédard und die Rakurai aufzuteilen. Stattdessen hatten die Charisianer immer weiter nur auf die Rakurai gefeuert. Krahl konnte das Flaggschiff des Geschwaders nicht genau erkennen. Allerdings sah er sehr wohl, dass Raisahndos Segel zunehmend in Fetzen hingen. Und so schwer es auch war, in all dem Chaos der Schlacht vernünftige Abschätzungen vorzunehmen, hatte Krahl doch das Gefühl, als hätte die Feuerrate der Rakurai allmählich nachgelassen.
Nun beobachtete er, wie sich Großstenge und Bramstenge des Gegners nach Backbord neigten wie ein gewaltiger umstürzender Baum. Sie rissen das Royalsegel des Besanmasts mit sich. Einen Augenblick lang wagte Krahl schon zu hoffen, auch der Fockmast würde umstürzen. Was das anging, wurde er enttäuscht. Aber die charisianische Galeone schien ins Schlingern zu geraten, als mehr als die Hälfte ihrer Segelfläche krachend über Bord ging.
Und was jetzt, ihr Mistkerle? , dachte er.
Schlagartig verlor die Dart an Fahrt. Captain Pawal war erstaunt, dass das Vor-Royalsegel und das Vor-Oberbramsegel nicht mitgerissen wurden. Es war deutlich spürbar, dass die Trümmer und Segel, die nun im Wasser landeten und immer noch durch Wanten und Stagen am Schiff festgehalten wurden, an der Dart zerrten und sie zurückhielten. In den über seinem Kopf gespannten Netzen – immer noch weitestgehend intakt, auch wenn sie wie Spinnweben zerrissen waren, wo der fallende Mast auf das Backbord-Schanzkleid hinuntergekracht war – sammelten sich Holztrümmer, herabgestürzte Taljen und lange Reepstücke, zusammengerollt wie Schlangen.
Irgendwie gelang es dem Mann am Steuer, das Schiff immer noch unter Kontrolle zu halten. Äxte und Entermesser blitzten inmitten des verworrenen Chaos herabgestürzter Takelage auf, als der Bootsmann und seine Maate zahlreiche Matrosen herbeiriefen, um die Wrackteile zu entfernen und abzuschneiden, was nicht zu retten war. Doch bis das geschehen wäre, bliebe fast die Hälfte der Steuerbordgeschütze durch all die Trümmer vor ihren Pforten blockiert. Das alleine war schon schlimm genug. Da jedoch die Dart auch noch an Fahrt verloren hatte, konnten die Dohlaraner den Abstand auch wieder vergrößern. Sie würden alle fünf Schiffe gegen das vorderste Schiff von Pawals Schlachtreihe zum Einsatz bringen können.
Pawal hatte so hektisch Schutz vor den herabfallenden Trümmern gesucht, dass er dabei seinen Sprechtrichter verloren hatte. So
Weitere Kostenlose Bücher