Haus der Lügen - 8
schlimmster Albtraum kam dem, was tatsächlich geschah, nicht einmal ansatzweise nahe.
Duchairn war das einzige Mitglied der ›Vierer-Gruppe‹, das Samyl Wylsynn persönlich anzusprechen gewagt hatte. Im letzten Herbst hatte Clyntahn die ersten Andeutungen fallen lassen, er habe es auf Reformisten abgesehen. Duchairn war sich immer sicherer gewesen zu wissen, wen Clyntahn meinte. Doch weder Trynair noch Maigwair hatten die Andeutungen richtig zu deuten gewusst. Sie hatten zwar gewusst, dass irgendetwas bevorstand. Doch sie waren ebenso überrascht wie alle anderen Angehörigen des Vikariats, als Clyntahn und seine Inquisitoren tatsächlich zuschlugen. Zunächst hatten sie es einfach nicht glauben wollen. Sie hatten angenommen, Clyntahn habe überreagiert. Schließlich war er nicht gerade für seine zurückhaltende Art bekannt. Doch damit hatte Clyntahn gerechnet. Duchairn umklammerte sein Zepter noch fester, als er sich an ihr Gespräch zurückerinnerte ...
»Was hat das zu bedeuten, Zhaspahr?«, verlangte Zahmsyn Trynair zu wissen. Die Stimme des gewöhnlich sachlichen, beherrschten Kanzlers klang rau. Zorn und unbestreitbar auch Furcht beherrschten im Wechsel sein Mienenspiel, als er den Großinquisitor über den Tisch hinweg ansprach.
»Ich denke, das versteht sich doch von selbst«, erwiderte Clyntahn in kaltem, gefährlich gemessenem Tonfall. »Ich erzähle Ihnen schließlich schon seit geraumer Zeit, dass mitten unter uns Vikaren Verräter sitzen. Mir ist durchaus bewusst, dass Sie drei meine Warnungen nicht ernst genommen haben. Dass Sie sich mit dem Gedanken getröstet haben, ich würde bloß wieder einmal in jedem Schatten Feinde wittern. Na, ich will ja auch nicht behaupten, das sei in der Vergangenheit nicht vorgekommen. Nur dafür um Verzeihung bitten werde ich nicht. Es ist immer besser, übermäßig vorsichtig zu sein, als blindlings umherzustolpern, wenn man Gott und Schueler dient!
Aber dieses Mal ist es anders. Oh ja, dieses Mal ist es anders! Diese Mistkerle haben sich gegen Mutter Kirche verschworen, gegen die Autorität des Großvikars, gegen unseren Kampf gegen die Ketzer in Charis und gegen Gott! Sie können das beschönigen oder rechtfertigen, so viel Sie mögen. Aber die Wahrheit wird ans Licht kommen. Vertrauen Sie mir! Die Wahrheit ... wird ... ans Licht kommen!«
Rhobair Duchairn konnte sich nicht erinnern, jemals Zhaspahr Clyntahn so voller Selbstsicherheit und Entschlossenheit erlebt zu haben. Das hüllte ihn ein wie einen Panzer. Er war die Fleisch gewordene Macht, wie er da seine drei Kollegen anstarrte. Wie ein wütender Großer Drache, mit glutlodernden Augen, saß er am Tisch, jederzeit bereit, die Lefzen zu blecken und sich mit Gebrüll auf sie zu stürzen.
Der Kirche des Verheißenen Schatzmeister wollte schon den Mund öffnen, wusste aber nicht recht, was er sagen sollte. Während er noch um Worte rang, lehnte sich Trynair in seinem Sessel zurück. Konzentriert blickte er den Großinquisitor an und ergriff dann als Erster das Wort.
»Welche Wahrheit denn, Zhaspahr?«, fragte er. »Ich weiß, dass Wylsynn und sein Bruder unsere Vorgehensweise schon immer kritisiert haben, und sie sind uns schon immer gehörig auf die Nerven gegangen. Ich weiß auch, dass sie gefährlich waren – zumindest für uns . Aber das, was sie getan haben, und das, was Sie ihnen jetzt vorwerfen, ist doch gar nicht vergleichbar! Und dann diese ganzen Festnahmen: Frauen und Kinder, die mitten in der Nacht abgeholt werden ... bei Langhorne, Mann! Sehen Sie denn nicht, was das bewirken wird? Glauben Sie wirklich, die hingen hier in den Tempel-Landen im luftleeren Raum und seien mit niemandem verwandt? Einige von ihnen sind sogar mit mir verwandt, um Gottes willen! Was meinen Sie denn wohl, wie der Rest des Vikariats reagieren wird, wenn sie glauben, auch ihre Familien könnten bedroht sein, bloß weil wir sie zu unseren politischen Gegnern rechnen?«
»Glauben Sie, darum ginge es hier?« Ungläubig starrte Clyntahn sein Gegenüber an. »Ach, natürlich würde es mich zutiefst befriedigen, diesen frömmlerischen Mistkerl und seinen Bruder zu erledigen, gar keine Frage! Aber das hier habe ich nicht bloß vorbereitet, um einen meiner Gegner auszuschalten, Zahmsyn! Das hier ist etwas, das zu mir gekommen ist. Das ist eine Verschwörung, die weit über Wylsynn und seinen Bruder hinausgeht. Und nur dank göttlicher Gnade habe ich davon überhaupt erfahren!«
»Was für eine Verschwörung denn? Und wie
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