Haus der Vampire 03 - Rendezvous mit einem Unbekannten-ok
»Lassen Sie los. Lassen Sie mich los!«
»Du gehörst Amelie«, sagte er und ließ sie los. »Ich kann es schmecken. Du riechst danach. Du hast recht, ich kann dich nicht anrühren, nicht mehr. Aber was die anderen angeht, täuschst du dich. Solange sie im Haus sind, sind sie sicher, aber dort draußen sind sie das nicht, nicht in meiner Stadt. Nicht für lange.«
»Ich habe einen Deal!«
»So, hast du? Hast du schwarz auf weiß gesehen, dass deine Freunde vor allen Angriffen geschützt sind? Denn das bezweifle ich sehr, kleine Claire. Wir verfassen schon seit Tausenden von Jahren Abkommen und du bist erst sechzehn. Du hast keine Ahnung, was für eine Art von Abkommen du getroffen hast.« Oliver hörte sich an, als täte sie ihm tatsächlich ein wenig leid, und das war beängstigend. Mit verschränkten Armen lehnte er an der Tür. Er hatte heute wieder seine übliche Netter-Typ-Verkleidung an: Er trug ein gebatiktes T-Shirt und eine ausgebeulte Cargohose. Sein ergrauendes, lockiges Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Wahrscheinlich hatte er gerade das Common Grounds zugemacht, schätzte sie. Er roch nach Kaffee. Sie fragte sich, was Oliver an seinen freien Tagen anhatte, wenn er nicht gerade wieder jemanden einschüchterte. Pyjama? Plüschpantoffeln? Eines hatte sie über die Vampire von Morganville herausgefunden: Sie waren nie genau das, was sie zu sein schienen – nicht einmal die ganz schlimmen.
»Schön«, sagte sie und wich vor ihm zurück, bis sie an ihren Fersen die erste Treppenstufe spürte. Sie setzte sich hin. »Sagen Sie mir, was ich verbrochen habe.«
»Du hast das Machtgefüge dieser Stadt aus dem Gleichgewicht gebracht, und das ist eine schlimme Sache, kleine Claire. Verstehst du, Amelie hatte vor, Königin in diesem kleinen Königreich zu werden. Sie dachte damals, ich sei ganz sicher tot. Als ich vor einem Jahr hierherkam, beschlossen viele Leute, dass sie besser mir gehorchten als ihr. Nicht alle natürlich, nicht einmal eine Mehrheit. Aber sie hat sich in ihrem langen Dasein keine wirklichen Freunde gemacht und es sind nicht nur die Menschen, die hier festsitzen, weißt du? Es sind auch die Vampire.«
Das war ihr neu. »Wovon sprechen Sie eigentlich?«
»Wir können nicht weggehen«, sagte er. »Nicht ohne ihre Erlaubnis. Wie ich schon sagte, hält sie sich selbst für die kalte Weiße Königin und die meisten begnügen sich damit, sie gewähren zu lassen. Nicht alle. Ich habe daran gearbeitet, irgendwelche... Arrangements mit ihr zu treffen, damit eine Gruppe von uns Morganville verlassen kann und eine Gemeinde außerhalb ihres Einflussbereichs gründen kann. In den letzten fünfzig Jahren, seit sie den letzten Vampir erschaffen hat, hat sich hier überhaupt nichts verändert. Jetzt spürt Amelie die Notwendigkeit, ihre Stellung zu behaupten. Sie blockiert mich. Sie wird mir nicht erlauben, auch nur einen Schritt ohne ihre Zustimmung zu machen.« Er senkte sein Kinn und starrte sie an. Tief in ihrem Inneren begann sie zu frieren. »Ich werde nicht gern kontrolliert. Ich neige dann dazu... unglücklich zu werden.«
»Warum sprechen Sie mit mir darüber? Was kann ich dafür?« »Du bist ihr Liebling, du törichtes kleines Mädchen. Wenn du etwas willst, verhätschelt sie dich. Und ich will wissen, warum.«
Amelie hatte sie nicht gerade verhätschelt, als sie sich das letzte Mal gesprochen hatten, aber das Handy, das sie in ihrem Zimmer zurückgelassen hatte, sprach vielleicht eine andere Sprache. »Ich weiß es nicht!«
»Sie glaubt, du hast etwas, was sie braucht, sonst würde sie sich wohl kaum um dich scheren. Sie hat zugesehen, wie ganze Städte starben, ohne auch nur eine Träne zu vergießen oder einen Finger zu rühren. Nächstenliebe ist es also wohl kaum.«
Myrnin. Es geht um Myrnin. Wenn ich nicht bei ihm lernen würde … Das konnte sie nicht zu ihm sagen, sie wagte nicht einmal, daran zu denken. Oliver war nervtötend und manchmal schien er geradezu geistesgestört. »Vielleicht ist sie einsam.«
Sein Lachen klang wie ein harsches, freudloses Bellen. »Das hat sie sicherlich verdient.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Sag mir, warum sie dich braucht, Claire. Sag mir, was sie verbirgt, und ich mache einen Deal, einen absolut aufrichtigen: Ich werde deinen Freunden meinen direkten Schutz gewähren. Niemand wird ihnen etwas tun.«
Dieses Mal sagte sie nichts; sie schaute ihn nur ebenfalls an. Sie traute sich nicht, ihn nicht anzuschauen. Selbst wenn
Weitere Kostenlose Bücher