Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
Vom Netzwerk:
Plätzchen, legte sie auf die weiße Papierunterlage und
    löffelte die sahnige, gelbe Creme darauf, vorsichtig legte er die bemalte Hälfte und hielt die fertigen ans Licht. »An dir ist eine Künstlerin verlorengegangen.« Neue Zähne: dreizehn schneeweiße Zähne, die nicht wackeln würden.
    »Meine Frau«, sagte er leise, »hat nichts dagegen, wenn du das Zimmer bekommst, ich habe mir ihr gesprochen.«
    »Und die Kinder?« sagte sie.
    »Sie schwärmt nicht sehr für Kinder, aber sie wird sich daran gewöhnen.« Reiterin mit hartem Lächeln im Gesicht: braune Duvetinjacke und das Lied vom Trommelbuben, der voranging Ȭ einfache Gedanken hatten sie zurZusage bewegt. Die kleine Puppe im Haus, die ihre Rente weiterbekam, konnte auch die Küchenarbeit übernehmen. Zimmer und Essen würde sie umsonst bekommen, geringen Lohn dazu, und sie würde endgültig von der Belästi Ȭ gung durch ihren Mann befreit sein. Schon drohte er mit der Scheidung: Verweigerung der ehelichen Pflichten, aber sie lächelte kalt, wenn er von Scheidung sprach. Ihr gehörte das Haus, ihm die Bäckerei, und er war ein tüchtiger Bäcker. »Wollen wir nicht alles beim alten lassen und uns gegenseitig unsere Freiheit geben?«
    Freilich würden die Lieferungen fürs Kloster wegfallen, wenn die kleine
    Puppe ins Haus zog, für die Pfarrfestlichkeiten würde ein anderer Brot und Kuchen und Brötchen liefern. Aber machte die kleine Puppe nicht bezauberndes Gebäck, kostenlose, flink hergestellte Schokoladenmalerei, um die sich die Kinder rissen? Plätzchen und Bilderbuch in einem, ohne Aufschlag. »Wir haben freies Spiel«, sagte der Bäcker, und ohne Kontakt leuchtete es grünlich in seinen Augen auf. Sonnenbrille und Liegestuhl auf dem Blechdach, und abends ins Strandbad! Sie stand träumend da, den Schokoladenpinsel lose in der Hand haltend. Und plötzlich ging das Licht aus. Oben durch die Kellerluken fielen noch zwei grelle Scheiben Sonnenlicht wie unter die Decke genagelte Platten aus luftigem Gold, aber darun Ȭ
    ter fiel alles in graue, vielschattige Dunkelheit. Sie sah den Bäcker am Schalter stehen: graue Schürze unterhalb der gelben Lichtscheiben, graues Gesicht und die leuchtenden Augen. Grünliche Pünktchen, die sich jetzt langsam auf sie zu bewegten. »Mach das Licht an«, sagte sie.
    Er kam näher: schmale und kräftige Beine und das gedunsene Gesicht.
    »Mach das Licht an«, sagte sie, »der Junge wollte kommen.« Er blieb stehen.
    »Ja«, sagte sie, »ich ziehe in das Zimmer, aber mach jetzt Licht.« »Nur einen Kuß«, sagte er demütig. »Glück Ȭ Hand Ȭ nur ein Kuß«, weiteres, mit gebeugtem Nacken vorgetragenes hymnisches Gestammel Ȭ verstümmelter Lobpreis der Liebe. »Nur einen Kuß.«
    »Nicht heute«, sagte sie, »mach Licht.« »Heute abend«, schlug er demütig vor. »Ja«, sagte sie müde, »mach Licht.«
    Schnell huschte er zum Schalter zurück, und das Licht ging wieder an, milderte die Schärfe der Sonnenlichtscheiben, und aus den grauen und schwarzen Schattierungen tauchten Farben auf: wildes Gelb der Zitronen auf dem Bord, Rot in der Schüssel mit Kirschen.
    »Heute abend also, um neun«, sagte er, »in dem Eiscafe unten am Rhein.« Bunte Lampions im Dunkeln Ȭ erleuchtete Schiffe, Gesang vom Flußufer her, wo Horden von Jugendlichen mit Lauten und Banjos singend einherzogen: Harry Ȭ Lime Ȭ Melodie in grüner Dunkelheit Ȭ Johnny. Kaltes, eiskaltes Eis in hohen Silberbechern, Kirschen und Sahne darüber. »Ja«, sagte sie, »ich komme um neun.« »Oh, du«, sagte er.
    Er arbeitete weiter, schnitt Rhomben von der großen Platte ab, und sie pinselte es hin: Schokoladenfarben auf Sandgelb. Lampions an Ketten, Bäume, Stühle, Eisbecher... Auch ein Badezimmer war oben. Rosenfarben gekachelt, Brause und die stetig brennende Stichflamme. Sauberkeit, kostenlos und warm im Winter. Und dreizehn schneeweiße, neue Zäh Ȭ
    ne.
    Er garnierte die Kirschtorte, die Ananastorte für Andermanns Geburtstag, füllte die Sahnespritze und reichte sie ihr: Küsse auf
227 .
    den Arm, auf die Hand. Sie schob ihn kopfschüttelnd weg und malte auf die
    Kuchen eine 50 mit Lorbeerkranz, Girlanden und den Namen Hugo, schneeweiß über die Kirschen gemalt. Blumen auf den Sandkuchen Ȭ Rose, Tulpe Ȭ Margerite Ȭ Margerite Ȭ Tulpe, Rose... »Entzückend«, rief er.
    Er brachte die Kuchen nach oben, und sie hörte ihn lachen oben im Laden,
    hörte, wie die Reiterin die fertig bemalten Plätzchen entgegennahm: »Mehr«, sagte sie, »mehr

Weitere Kostenlose Bücher