Hausverbot
Zeichentrickfilme doof. Ich wollte lieber Spielfilme machen. Ich hätte auch zu gerne an der Hochschule für Film, Fernsehen und Theater in Łódź studiert, wegen Polański, Piwowski, Zanussi, Wajda, Kieślowski. Als ich noch in Polen lebte, hieß es, dass die berühmte Filmówka selten blutjunge Bewerber direkt nach dem Abitur aufnahm. Die besten Chancen für einen Studienplatz hätten dort diejenigen, die bereits ein paar Semester lang ein anderes Fach studierten. Insgeheim hatte ich das auch so vorgehabt. Tatsächlich wollte ich vom Studium an der Danziger Kunstakademie alsbald an die Filmówka abdriften. Doch dann klappte das mit der Aufnahmeprüfung nicht, also packte ich sofort meinen Kram und zog gen Westen. Ich war halt zwanzig. Jede Verzögerung im Handeln hätte mich alles kosten können. Und letztlich stellte sich heraus, dass ich richtig gehandelt hatte. Der Kriegszustand lähmte nicht nur das Land. Auch die Filmówka stand nach 1981 unter Repressionen. Die drei wegen Staatsangehörigkeitsdissonanzen unfreiwillig in Polen verbrachten Monate lebte ich in Łódź. Andrzejs Vater hatte meine camouflierte Übernachterei und die Komplikationen mit dem deutschen Pass mitbekommen. An seinem Geburtstag bot er mir an, seinen Schrebergarten in Łódź als vorübergehende Unterkunft zu nutzen. Von da aus hätte ich es näher zur deutschen Botschaft in Warschau.
In Polen entsprachen die Schrebergärten den westlichen Wochenendhäusern. Sie waren komplett mit Haushaltszeug ausgestattet und so was wie die Datschen, in die man sich zurückzog, um eine ungestörte Zeit zu verbringen. Ich fand die Idee großartig, nach Łódź zu gehen, nicht wegen Warschau, sondern weil ich dort als Gaststudentin die Filmówka besuchen konnte, falls es zu lange mit meiner Ausreise dauern sollte.
Andrzej fuhr mit nach Łódź. Wir nahmen den Nachtzug. Wir kamen morgens an. Wir gingen zu Fuß zu dem Schrebergarten. Kein Taxi war in Sicht. Wir wollten aber auch keins nehmen. Bekanntlich raubten Taxifahrer Datschen aus. Uns erwartete ein verwilderter Garten. Mittendrin stand ein Holzhaus. Überall wuchsen kleine, braungraue Pilze. Andrzej schaute sich um, bevor er unter einem Blumentopf den Schlüssel rausholte. Er öffnete die Tür und sagte: Wundere dich nicht, mein Vater braut hier auch was. Wir betraten ein vollkommenes Chemielabor. In dem Glaslabyrinth aus Destillationsleitungen tropfte es allerorts in die Gefäße, Röhren, Retorten, Trichter, Kugeln und Kolben. Andrzej überprüfte die Anzeige auf einem Manometer.
- Sehr gut … Die Maschinerie läuft hier automatisch. Mein Vater kommt nur einmal im Jahr vorbei und tauscht die Chemie aus.
- Wie viel Prozent wird der Schnaps haben?
- Sehr stark …
- Absinth?
- So ähnlich, aber in Pulverform. Die Destillation kommt mit ganz wenig Flüssigkeit aus. Es dauert sehr lange, dieses Pulver aus den Chemikalien zu dehydrieren. Mein Vater arbeitet noch dran. Er hat dafür bisher keinen Namen.
Ich ahnte was. In den Nachrichten hörte man immer wieder, dass in Łódź irgendwelche Labore für die Herstellung chemischer Drogen aufgedeckt wurden. Ich überlegte, ob ich mich gerade zufällig in einem befand. Andrzej kam mir schon von Anfang an etwas dubios vor. Ich hatte damals doch gedacht, als ich ihn kennenlernte, dass er ein Agent sei. Na, jedenfalls war das alles ganz schön abenteuerlich. Überhaupt nicht langweilig, trotz der öden Probleme mit dem Pass. Ich fragte Andrzej lieber nicht aus. Er hätte mir eh nichts verraten. Außerdem gingen soeben andere chemische Prozesse zwischen uns ab. Andrzejs Schwanz stand wie eine Eins, obwohl er immer noch keinen Geschlechtsverkehr treiben durfte. Seit der Party bei Leon waren wir ineinander verliebt, und Andrzej war kein einziges Mal in mir drin gewesen. Dieses Labor machte mich so geil wie tausend Russen. Ich zog mich aus. Ich legte mich nackt auf einen Holztisch. Ich drückte Andrzej ein Reagenzglas in die Hand. Er führte mir das kalte Ding in die Scheide ein. Er bewegte es. Er küsste mich. Ich kam. Ich schlief ein. Ich wachte auf. Andrzej war weg. Er musste zurück nach Sopot. Ich ging raus. Ich spazierte ins Zentrum. Ich hatte Hunger. Ich betrat die Kantine der Filmówka. Ich aß Barszcz, Bigos, Żurek, Kapuśniak, Surówka, Mizeria und Pierogi.
Ich hatte Lust auf Seminare, Vorlesungen und Diskussionen. Als Hamburger Kunststudentin wusste ich inzwischen, dass man überall auch ohne Zulassung studieren konnte. Man brauchte dafür nur
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