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Haut aus Seide

Titel: Haut aus Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Holly
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Herz, der im Gegensatz zu Simon sehr aufgeschlossen war. Und die schüchternste Anwesende – Tess – schien nicht nur seine Neckereien, sondern auch ihn zu lieben. Jedes Mal, wenn sie ihren Mann ansah, glühte sie wie eine Rose. Das galt natürlich auch, wenn sie ihren Sohn betrachtete.
    Simon war in Gegenwart seiner Eltern ganz anders und viel entspannter. Wenn er sie anlächelte, schien seine Liebe so klar wie der Sonnenschein zu ihnen herüber. Lelas Augen drohten sich mit Tränen zu füllen, und sie musste tatsächlich wegschauen. Sie wollte nicht diese Enge in ihrer Brust spüren und von der alten, unstillbaren Sehnsucht heimgesucht werden. Doch was sie wollte, spielte offenbar keine Rolle, ihr Traum ließ sich nicht so ohne Weiteres beiseiteschieben. Sie wollte auch diese Art von Liebe spüren. Sie wollte auch so eine Familie wie diese haben. Sie wollte jemanden, der ihr sein Herz schenkte.
    Als die Sonne hinter dem Haus versank, wurden die chinesischen Lampions entzündet, die in Rot, Weiß und Grün über den ganzen Rasen verteilt waren. Die für den Abend engagierte Oldie-Band schaffte es tatsächlich, die Gäste auf eine Zeitreise zu schicken. Simon tanzte mit seiner Begleiterin zu »Volare«, »Till There Was You« und anderen schwungvollen Stücken, deren Titel Lela nicht kannte.
    »Liebeslieder«, neckte Howard und stieß seinem Sohn augenzwinkernd in die Seite, als er mit seiner Frau an ihnen vorbeitanzte.
    Weder sie noch Simon waren besonders gut in Standardtänzen. Sie konnten sich eigentlich nur hin- und herwiegen, aber ihm schien das nichts auszumachen. Im
Gegenteil, er wollte gar nicht mehr aufhören. Er fuhr Lela sanft über das Haar, während sie sich kreisend drehten. Immer wieder strich seine Hose dabei über ihr Kleid, und als das erste Stück zu Ende war, hatte er bereits eine Erektion, sodass er Lela an sich drücken musste, um nicht aufzufallen. Das gefiel ihr. Seine Hand lag warm auf ihrem Rücken, und seine Lippen strichen sanft über ihre Wange.
    »Schön ist das«, sagte er, obwohl er sich zugleich auch leicht unbehaglich fühlte.
    Hätte Lela es nicht besser gewusst, sie hätte gesagt, er wolle romantisch sein.
    Das dachte Simons Mutter scheinbar auch, denn als Lela irgendwann von der Toilette kam, fing Tess sie kurzerhand ab. Lela war nicht sicher, wie es dazu gekommen war, aber eine Minute später saßen sie und Tess gemeinsam auf einer etwas abgelegenen Gartenbank. Tess tätschelte Lelas Hand.
    »Ich bin so froh, dass Sie kommen konnten, meine Liebe. Simon hat vorher noch nie eine Freundin mit nach Hause gebracht.«
    Lela wand sich bei Tess’ Worten. »Ich weiß nicht recht, ob man mich als seine Freundin bezeichnen kann. Freunde sind wir zwar schon, aber mehr ist da eigentlich auch nicht.«
    Simons Mutter lächelte, als kenne sie ein Geheimnis. »So oder so, ich bin sehr froh, Sie kennenzulernen. Simon hat nicht viele Freunde. Zumindest keine besonders engen.« Sie beugte sich zu Lela und senkte die Stimme. »Ich glaube, er hat Angst, dass es illoyal uns gegenüber wäre, wenn er jemand anderen liebt.«
    Lelas Hals schnürte sich zu. Es fiel ihr unglaublich
schwer, Tess in die Augen zu schauen. Ihr Blick war fröhlich und ernst zugleich. »Sie liebt er jedenfalls sehr«, sagte sie schließlich.
    »Ja«, stimmte Tess zu, »aber er hat mehr Liebe zu geben, als er ahnt.« Sie zuckte mit den Schultern, und der Ernst wich wieder aus ihren Augen. »Erzählen Sie doch mal ein bisschen von sich, Lela. Lebt Ihre Familie auch in New York?«
    Lela war dieser Frage wohl schon an die hundert Mal ausgesetzt gewesen, aber an diesem Abend traf die Erinnerung sie besonders schwer. Sie starrte auf ihre Hände, die sie in den Schoß ihres violetten Kleides gelegt hatte. »Ich habe keine Eltern mehr. Sie starben, als ich noch sehr klein war.«
    »Sie armes Ding«, stieß Tess voller Mütterlichkeit aus und legte sofort einen Arm um ihre Schulter. »Sie waren also auch ein Waisenkind?«
    Von »auch« konnte allerdings keine Rede sein. Lela war kein Wesen wie Simon. Lela war eben nicht rechtzeitig gerettet worden. Und sie konnte auch nicht so tun, als ob – zumindest nicht dieser gütigen Frau gegenüber.
    Man hatte Lela immer als Erfolgsgeschichte bezeichnet. Als eines der Pflegekinder, die es geschafft hatten. Doch Lela wusste es besser. Sie war wie ein Wolf, der darauf wartete, die Hand zu beißen, die ihn fütterte. Ein Teil von ihr konnte nie genug Vertrauen aufbauen. Jede ihrer Beziehungen war

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