Haut aus Seide
seine Zuckungen mit einem Lachen.
»Du bist verrückt«, keuchte er, den Kuss, den er ihr auf die Lippen presste, durch ein Grinsen verzerrt.
»Verrückt wie eine wilde Katze.«
Er seufzte und hielt sie entspannt in seinen Armen – wie einen Schatz, den er nicht mehr zu finden gehofft hatte. Für Lela verstrich dieser herrliche Moment viel zu schnell.
»O Mann«, sagte er, »jetzt muss ich dich aber nach Hause bringen.«
Er wirkte nicht verlegen, aber die Zärtlichkeit war verschwunden. Lela fragte sich, ob ihm wohl leidtat, was er zuvor gesagt hatte.
Rom
Elf
Béatrix fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, Philip anzurufen. Sie standen zusammen in ihrem Pariser Atelier unterm Dach, das von Terpentingeruch und den perlweißen Lichtern der Stadt erfüllt war. Bald würde es regnen. Das würde die Sommerhitze ein wenig vertreiben, ihren roten Wildrosen eine dringend nötige Dusche verpassen und auch das Schweigen beenden, das zwischen ihnen beiden entstanden war.
Das Bild war fertig. Mit dreieinhalb mal vier Metern war es größer geraten als alles, was sie bisher gemalt hatte. Den ganzen letzten Monat über war dieses Bild ihr Leben gewesen. Sie hatte auf Schlaf, Essen und Gesellschaft verzichtet, weil sie es einfach nicht ertragen hatte, den Pinsel beiseitezulegen. Noch fünf Minuten, hatte sie sich jedes Mal gesagt, nur um erst im Morgengrauen zu sich zu kommen und eine Pause einzulegen. Die Menschen auf dem Bild, ein Mädchen im Teenageralter und ihre zwei jüngeren Brüder, waren so lebendig geraten, wie es ihr nur möglich war. Das Wasser im Kanal wirkte wahrhaft nass, der Himmel blau und das Gras grün und üppig. Béatrix hatte die Farbe so dick aufgetragen, als wäre sie sogar hierbei einer gewissen Großzügigkeit verpflichtet. In jeden einzelnen Pinselstrich hatte sie alles hineingelegt. Und so schien auch jeder einzelne Pinselstrich die Leidenschaft zu reflektieren, die sie in ihr Werk
gelegt hatte. Sie kannte diese Menschen. Diese kleine Familie hatte Liebe, Verlust und Krieg ebenso wie den jetzigen Frieden erlebt. In gewisser Weise entsprachen die Wesen auf dem Gemälde ihrem Traum von der perfekten Familie.
Bea wusste nicht, ob auch andere Betrachter all das in ihrem Bild sehen würden. Sie hoffte es, aber der Schmerz über die lauwarme Reaktion der Kritiker auf ihre erste Ausstellung saß noch tief.
Es ist gut , hatte sie gedacht, als sie dem kleinen Jungen einen letzten Klecks Weiß ins Auge gedrückt hatte. Das Beste, was ich je gemalt habe. Wenn das den Kritikern nicht gefällt, wird ihnen niemals etwas von mir gefallen.
Diese Erkenntnis bescherte der Künstlerin ein seltsames Gefühl von Frieden. Wenn sie aufhörte, den Kritikern gefallen zu wollen, dann könnte sie endlich so malen, wie sie wollte. Eine gewisse Angst machte sich in ihr breit, doch es war eine gute Angst, eine aufregende Angst. All die Leinwände ihrer Zukunft waren noch weiß.
Béatrix hatte Philips Nummer gewählt, noch bevor sie sich selbst davon hatte abhalten können. Und obwohl er gerade am Arbeiten gewesen war, hatte er sofort zugestimmt, zu ihr zu kommen. Die beiden hatten seit drei Wochen nicht miteinander gesprochen – seit ihrer schicksalhaften Taxifahrt nach Versailles. Bea hatte all ihr Verlangen nach ihm in das Bild gelegt, doch jetzt fragte sie sich, was sein schnelles Kommen wohl bedeuten mochte. Hatte er sie vermisst? Und wenn ja, wen hatte er da eigentlich vermisst? Seine Stieftochter? Seine frühere Geliebte? Seine Freundin?
Sie betrachtete ihn sehr wohl als ihren Freund, das hatten
die Tage der Trennung ihr gezeigt. Béatrix hatte seine Freundlichkeit als selbstverständlich hingenommen, ja, sie sogar ausgenutzt. Aber als er ihr diese Freundlichkeit plötzlich vorenthielt, stellte Bea fest, dass sie seine Liebenswürdigkeit ebenso vermisste wie seine Berührung.
Jetzt starrte er mit undurchschaubarer Miene auf ihr Bild, die hohe Stirn in einer einzigen Falte zusammengezogen.
»Und?«, fragte sie voller Anspannung.
Philip drehte sich lächelnd zu ihr um. Seine hinreißenden grauen Augen leuchteten. »Es ist wunderschön.« Seine Stimme klang belegt. Er räusperte sich und schaute erneut auf das Bild. »Mein Großvater wohnte während des Blitzkriegs in London. Er hat mir viele Geschichten über die Stromausfälle und den Fliegeralarm erzählt. Wenn ich solche Bilder sehe, muss ich immer an ihn denken.«
»Du findest es also nicht zu rührselig?«
Philip schüttelte langsam den
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