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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dickflüssige Öl herausgluckern, bis der Sack davon bedeckt war. Dann nahm sie das Schlauchstück aus dem Kofferraum, schraubte den Tankdeckel ab und schob das eine Ende des Schlauchs in den Benzintank. Sie hielt sich die Nase zu, schob die Zunge als Spritzschutz vor und schloss die Lippen um den Schlauch. Dann saugte sie mit aller Kraft daran, bis Benzin aus dem Tank heraufschoss. Sofort wich sie zurück, hängte den Schlauch in die leere Dose und ließ das Benzin hineinfließen.
    Mit gegrätschten Beinen und in einigem Abstand, damit sie sich die Schuhe nicht bespritzte, schüttete sie das Benzin auf den Müllsack. Anschließend verstaute sie die Dose und den Ölkanister wieder im Clio, schraubte den Tankverschluss zu und schloss den Wagen ab. In der unteren Tasche ihrer Combathose befand sich eine Schachtel Streichhölzer. Sie riss eins an, warf es auf den Müllsack und sprang zurück. Mit dumpfem Fauchen loderte das Benzin blau auf und verbrannte sekundenschnell; nur in der Mitte flackerte noch eine kleine Flamme, und ein einsames schwarzes Rauchfähnchen kräuselte sich in der Luft. Sie ging zurück zum Wagen und verfolgte, wie Rauch und ölige Luft über dem dunklen Sack aufstiegen und sich schließlich in helle Flammen verwandelten. Als sie sicher war, dass das Feuer nicht wieder ausgehen würde, zog sie ihr Telefon aus der Tasche und rief Thom an.
    Es klingelte und klingelte, bis die Mailbox sich meldete. Sie wählte seine Festnetznummer und sah zu, wie die Flammen das Gras und die Bäume ringsum beleuchteten. Als sich auch zu Hause der Anrufbeantworter einschaltete, wählte sie noch einmal seine Handynummer. Diesmal klingelte es viermal, dann ertönte ein gedämpftes Klicken, und sie hörte ihn atmen.
    »Thom?«
    Stille. Sie legte den Ellbogen auf das Dach des Clio. »Sprich mit mir. Bist du da?«
    Einen Herzschlag lang blieb es still. Dann vernahm sie seine Stimme, belegt und nasal, als hätte er geweint. »Ja, ich bin hier. Es ist ziemlich spät.«
    »Und Mandy? Ist sie noch...«
    »Sie schläft. Ich will sie nicht wecken.«
    »Okay. Steig in deinen Wagen, und wir treffen uns irgendwo. In Saltford. Bei dem Pub am Fluss.«
    »Nein.«
    »Du musst mir zeigen, wo es passiert ist.«
    »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Natürlich weißt du es noch.«
    »Nein, im Ernst. Ich weiß es nicht mehr.«
    »Dann fahren wir durch die Gegend, bis es dir wieder einfällt. Wir sehen uns in einer halben Stunde.«
    »Nein!«, zischte er.
    Sie presste den Zeigefinger an den Nasenrücken. »Hör zu. Wenn wir uns jetzt nicht darum kümmern, wird das alles immer schlimmer werden. Und dann sind wir beide erledigt.«
    »Ich kann nicht.«
    »Es ist in Farleigh Park passiert, stimmt's? Irgendwo in der Nähe der Rehaklinik.«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Na, es muss da gewesen sein. Sie kann nicht weit gegangen sein.«
    Er schwieg. Sie stieß sich vom Wagen ab und presste eine Hand in den Rücken über der Hüfte, wo der Taucheranzug sie manchmal drückte. »Thom, es wird nicht von allein weggehen. Was immer du glaubst oder hoffst - es wird herauskommen. Wenn du nichts unternimmst, und wenn sie herausfinden, dass du sie aufgelesen und in den verdammten Kofferraum meines...« Sie sprach immer lauter und hektischer. »Mein Gott, du landest noch im Knast. Sie werden wissen, dass deine Schwester bei der Polizei ist. Und selbst wenn sie deine Schuldunfähigkeit anerkennen, kommst du in Sicherungsverwahrung.«
    »In Sicherungsverwahrung?«
    »Zum Schutz der Öffentlichkeit. Das machen sie mit Pädophilen, mit Sexualstraftätern, mit echten Irren. Nicht gut. Überhaupt nicht gut. Jetzt steig in dein Auto und komm.«
    »Aber Mandy wird es merken. Sie findet es heraus. Sie ist sowieso schon misstrauisch. An der Art, wie du mit ihr geredet hast, hat sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt.«
    »Du wirst es ihr irgendwann sagen müssen.«
    »Das kann ich nicht. Ich kann's einfach nicht.«
    »Dann tu ich es. Geh und weck sie. Gib ihr das Telefon.«
    »Nein! Nein, bitte. Bitte!«
    »Thom! Jetzt sei vernünftig, ja? Sei einfach vernünftig!«
    Es war lange still. Funken und schwarze Plastikflocken wehten durch die Luft. Dahinter schien der weiß schimmernde Mond matt durch die Wolken. Als Thom wieder sprach, klang seine Stimme gepresst. Missmutig. »Okay. Okay - ich mach's. Ich sag's ihr.«
    Flea atmete. »Gut. Tu das. Und dann rufst du mich wieder an.«
     

15
    Der Mond geht schnell auf in Somerset: Er jagt über das Tiefland hinweg, an den Hängen

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