Haut
Dessen Arme waren unter der Decke hervorgekommen. In dem Versteck im leer stehenden Sozialblock waren ihm die Hände abgenommen worden, und seine verbundenen Arme endeten in Klumpen, so groß wie Melonen. Er bewegte sie langsam und unter Schmerzen, und es sah aus, als bewegte sich da eine riesige Gottesanbeterin grotesk auf dem Bett.
Er bemerkte, dass Caffery ihn anstarrte, und lachte. »Ich weiß. Ziemlich im Arsch, was? Der Doktor sagt, die sind dreimal so dick angeschwollen, wie sie sollten.«
»Du bist gestern operiert worden.« Caffery konnte den Blick nicht von diesen Klumpen wenden. Mallows' Arme sahen aus wie Paddel. »Das hat man mir gesagt.«
»Vorher wollten sie's nicht machen. Haben immer wieder an den Stümpfen rumgeschnippelt. Da waren immer noch Hautreste, die abstarben, und sie wollten nichts unternehmen, solange sie nicht sehen konnten, welche Muskeln da übrigbleiben würden. Nekrose. So haben sie es genannt. Nekrose. Totes Fleisch.«
Caffery riss den Blick von den Verbänden los und sah Mallows ins Gesicht. »Und wie geht's weiter?«
»Sie haben große Hautlappen von meinen Oberschenkeln genommen und sie hier drauf geklatscht.« Er studierte die Verbände und drehte sie hin und her. »Irgendwann zwischen jetzt und Mitternacht werden die Blutgefäße in diese Haut raufwachsen. Sie verbinden sich mit ihr, und mit etwas Glück hab ich dann normale Haut über den Stümpfen.« Er ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken und starrte zur Decke. »Irre, was?«
»Du hältst dich gut, Ian. Wirklich gut. Das freut mich.«
Mallows gab ein kehliges Geräusch von sich. »Ja. Aber Sie sind nicht hier, um mir Puderzucker in den Arsch zu blasen, oder? Was wollen Sie? Ich hab meine Aussage schon gemacht.«
»Aber nicht vollständig. Du warst nicht bei dir, und du hast einiges ausgelassen. Jetzt geht es dir besser, und da möchten wir ein bisschen mehr wissen. Woran du dich noch erinnerst.«
»Woran soll ich mich erinnern?«
»Na, an Dundas zum Beispiel. Der da gestorben ist.«
»Was soll mit dem sein?«
»Hast du ihn je gesehen? Haben sie euch einander vorgestellt?«
»Wie denn - nett, dich kennen zu lernen, Alter? Schönes Wetter heute, nicht wahr? Welches Stück wollen sie dir denn abschneiden? Ich hab Ihnen alles schon erzählt. Ich hab ihn nie gesehen. Ich wusste gar nicht, dass er da war. Das war der reine Karnickelbau da drin. Da wusste man von einem Zimmer zum nächsten nicht, was da vorging.«
»Wusstest du, dass sie ihm die Haare abgeschnitten haben?«
»Ich wusste, dass sie ihm den Kopf abgeschnitten haben. Das wusste ich. Da wird's ihm kaum was ausgemacht haben, dass sie auch die Haare mitnahmen. Meinen Sie nicht?«
»Clement Chipeta - der da bei dir war.«
»Ach, ist das sein richtiger Name?«
»Als wir reinkamen, um ihn festzunehmen, war er da schon eine Weile bei dir gewesen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Er war nicht irgendwo unterwegs gewesen? In den letzten paar Stunden? War er da bei dir in dem Loch?«
»Ja. Wieso?«
»Ich will nur herausfinden, wo er sich aufgehalten hat.«
Mallows schüttelte den Kopf. »Nee. Wissen Sie, hier ist diese Unterhaltung zu Ende. Ich bin kein Spitzel. Ich werde meinen kleinen Zellenkollegen nicht an Sie verpfeifen. Er hat mir nichts getan.«
»Komisch. Soweit ich mich erinnere, hat er dich mit dem Onkel bekannt gemacht.« Mallows antwortete nicht.
»Du beschützt ihn, Ian. Dafür gibt es ein Wort.«
»Ach ja?«
»Ja. Das Stockholm-Syndrom. Das kommt bei Leuten vor, die lange genug in Geiselhaft waren. Sie stellen sich auf die Seite der Geiselnehmer. Und das tust du auch.«
»Er war kein Geiselnehmer. Er wollte nie was damit zu tun haben - er wurde gezwungen. Er ist ein illegaler Ausländer. Nach allem, was ich sehen konnte, hatte er gar keine Wahl.«
»Hattest du auch Sex mit ihm? Willst du ihn deshalb schützen?«
»Ach, verpissen Sie sich.«
»Clement Chipeta sagt, er hat Menschenhaare gesammelt.«
Caffery beobachtete Mallows und wartete auf eine Reaktion. »Er sagt, das ist eine Tradition. Er wollte daraus ein Armband machen. Hat er mit dir darüber gesprochen?«
»Hören Sie, ich hab doch gerade gesagt, ich arbeite nicht für Sie. Ich bin kein Schnüffler.«
Caffery langte unter seinen Stuhl, hob die Stange Bensons auf und legte sie auf den Nachttisch. Mallows starrte sie an. »Und wie soll ich die rauchen? Mit den Zehen?«
»Du brauchst einen Freund, der dir dabei hilft. Ehrlich gesagt, Ian, ich glaube, du wirst eine Menge
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