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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Ferne. Er war nicht sicher, wusste nicht, ob er sich hier nicht auf dem Holzweg befand, aber da gab es etwas. Etwas Großes. Lucy hatte ein Kind gehabt, von dem niemand wusste - keiner ihrer Freunde und nicht einmal ihr Exgatte. Sie hatte ein Kind gehabt. Es war verschwunden. Und vielleicht - möglicherweise - hatte sie deshalb jemanden erpresst.
    Jetzt musste er nur noch herausfinden, mit wem sie zusammen gewesen war, nachdem sie und Mahoney sich getrennt hatten.
     

46
    Die Räume der Bank befanden sich in einem denkmalgeschützten georgianischen Gebäude im Zentrum von Bath. Kleine Kabuffs aus Milchglas und Spanplatten drängten sich an den Wänden entlang; zwischen ihren Oberkanten und den Stuckdecken gab es eine Lücke von ungefähr zweieinhalb Metern. Es war elf Uhr, als der Bankangestellte Flea in eins der Kabuffs führte und sich ihr gegenüber an einen modernen Laminattisch mit einem Computermonitor setzte. Sie wechselten ein paar belanglose Worte, während er Formulare ausfüllte.
    »Sie sind also bei der Polizei?« Er warf einen Blick auf das Abzeichen an ihrem Polohemd. »Unterwassersuche? Was ist das? So was wie die Küstenwache?«
    »Eher nicht.« Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es nur zwei Reaktionen auf ihren Beruf gab: entweder eine Faszination, die ans Abartige grenzte, oder Abscheu. Und meist wanderte der erste Blick dann zu ihren Händen oder zu ihrer Kleidung. In manchen Ländern gehörten Leute, deren Beruf mit dem Tod zu tun hatte - Bestatter, Schlachthofarbeiter -, zu den Unberührbaren. Als wäre der Tod etwas Ansteckendes. »Wozu dient dieses Ding da?«, fragte sie.
    »Hm? Ach, das. Das ist der Panikknopf.«
    »Für welchen Fall?«
    »Sie wissen schon.« Er rückte seinen Schlipsknoten zurecht. »Manchmal regen Kunden sich auf.«
    »Worüber?«
    »Je nachdem, ob wir ihnen ein Darlehen geben oder nicht.«
    »Befürchten Sie das bei mir auch?«
    Hüstelnd klapperte er noch ein wenig auf seiner Tastatur herum und starrte auf den Bildschirm. Dann erhob er sich und nahm die Unterlagen in die Hand, die er zusammengestellt hatte. »Entschuldigen Sie mich für einen Augenblick? Ich muss kurz mit meinem Vorgesetzten sprechen.«
    Als er gegangen war, stand Flea auf, ging um den Tisch herum und warf einen Blick auf den Monitor. »Nur 8% eff. Jahreszins« leuchtete da in blauen Lettern auf dem Bildschirmschoner, und als sie die Maus bewegte, erschien ein Login-Fenster. Sie ging umher und betrachtete die Broschüren, die einen Lebensstil anpriesen, den man sich für nur acht Prozent Jahreszins leisten konnte. Sie hatte immer noch Kopfschmerzen. Das Elastoplast-Pflaster aus Polymer, das die Ränder der Schnittwunde an ihrer Wange zusammenhielt, juckte. Sie ging zu der Milchglastür und schaute hinaus zu den Leuten, die kamen und gingen, und zu der Tür, durch die der Sachbearbeiter verschwunden war. Er ließ sich viel Zeit. Sie setzte sich wieder hin und bemühte sich, nicht zu zappeln. Dann drückte sie die Finger fest an die Schläfen, um die Kopfschmerzen zu lindern.
    »Hallo.«
    Er stand in der Tür. Lächelte ihr knapp zu und schloss die Tür hinter sich, weniger freundlich jetzt. Er legte seine Mappe auf den Tisch, nahm Platz, machte es sich bequem und loggte sich ein. Der Computer erwachte zum Leben und beleuchtete sein Gesicht. Er fing an, Zahlen einzutippen.
    »Wollen Sie mich foltern?«
    Er blickte auf. »Wie bitte?«
    »Bitte foltern Sie mich nicht. Wenn die Antwort ja ist, dann sagen Sie's einfach. Kriege ich das Darlehen?«
    » Selbstverständlich.«
    »Selbstverständlich?«
    »Allen Horrorgeschichten zum Trotz vergeben wir immer noch Kredite, wissen Sie. Sie bieten gute Sicherheiten mit Ihrem Haus, Sie haben eine gute Stellung, und Sie sind seit zwölf Jahren Kundin bei uns. Es war überhaupt keine Frage, dass Sie Ihr Darlehen bekommen.«
    »Soll das heißen, Sie haben die ganze Zeit gewusst, dass ich es kriege?«
    Er blinzelte sie über seine Brille hinweg an, als sähe er sie zum ersten Mal wirklich. Dann schaute er wieder auf seinen Bildschirm, drückte auf eine Taste und zog ein Blatt aus dem Drucker. Er machte zwei Kreuzchen auf das Papier und reichte es ihr. »Unterschreiben Sie bitte da und da.«
    Sie tat wie geheißen und gab ihm das Blatt zurück.
    »So einfach ist das.« Er schob die Kappe auf seinen Stift. »Der Betrag wird in vierundzwanzig Stunden verfügbar sein.«
    »In vierundzwanzig...«
    »Ja.«
    »Aber das ist ein ganzer Tag.«
    Er sah auf die Uhr. »Bis

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