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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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morgen Mittag.«
    »Das geht nicht. Ich brauche das Geld sofort.« Sie überlegte kurz. »Okay, dann geben Sie mir einen anderen Kredit. Einen, den ich jetzt gleich mitnehmen kann. Wir können die Formulare schnell ausfüllen.«
    »Ich kann Ihnen keinen Kredit anbieten, über den Sie heute verfügen können.«
    »Es muss doch einen geben. Die Zinsen sind mir egal, wirklich egal. Wie Sie sagten, ich bin seit zwölf Jahren Kundin bei Ihnen, ich biete gute Sicherheiten, da muss es doch ein Darlehen geben, das ich...« Sie brach ab. Er schaute sie vielsagend an; sein Blick wanderte von dem Pflaster an ihrer Wange zu dem Polizeiabzeichen und weiter zu ihren Händen. Ihr wurde bewusst, dass sie halb aufgestanden war. Ihre Hände lagen auf den Armlehnen des Stuhls. Er hob die Brauen und blickte hinüber zu dem Panikknopf.
    »War nur ein Test.« Seufzend setzte sie sich wieder und zwang sich zu einem müden Lächeln. »Nur ein kleiner Test.«
     

47
    »Und?« Steve Lindermilk sitzt auf dem Sofa. Die Terrassentür steht offen. Es ist ein schöner Nachmittag, und draußen im Garten blühen die rosa Azaleen. Neben ihm steht ein Glas Rum mit Coke, aber er hat es nicht angerührt. »Weshalb wolltest du mich sprechen?«
    Ruth sieht ihren Sohn lächelnd an. Er trägt Jeans und Turnschuhe. Eine Umbro-Sportjacke mit Paspeln an den Ärmeln. Er hat ihre Beine: kräftig. Und ihre Nase. Stevie hat nicht viel von den Lindermilks. Nicht dieses eingedrückte Gesicht wie Sue. »Ich hatte da eine Frage, mein Schatz. Aber das hat sich erledigt. Ich wollte dich nur sehen.« Sie hebt das Glas, als wäre dies seine Taufe oder ein besonderer Anlass, und sie möchte auf ihren wunderbaren Sohn trinken. Heute Nachmittag geht es ihr gut: Erst vor einer Stunde hat sie ein Telefongespräch mit der Privatdetektivin beendet. Mit der kleinen Miss, die vielleicht nicht weiß, wie ein Mädchen sich anzieht, aber zumindest über einen vernünftigen Kopf verfügt. Sie hat das Geld aufgetrieben. Es wird morgen Nachmittag kommen. »Ich wollte nur meinen wunderbaren Jungen sehen. Meinen wunderbaren, wunderbaren Jungen.«
    Er lächelt matt. Schlägt ein Bein über das andere, nimmt es wieder herunter. Schaut das Glas in ihrer Hand an. Schaut die gefleckte Katze an, die zu ihren Füßen auf dem Rücken liegt.
    »Ich sehe, du hast eine neue Katze.«
    »Zwei, Schatz.«
    Steve seufzt. »Zwei neue?«
    »Sei nicht so. Sie sollten ins Tierheim. Was sollte ich denn machen?«
    »Du könntest jederzeit nein sagen.«
    »Vielleicht könntest du das, Stevie, aber ich kann es nicht. Niemals.« Sie klopft an ihr Glas. »Du willst doch nicht reden wie die da draußen? Oder zu denen gehören, die mich ständig schikanieren?«
    »Mum, es gibt einen ganz einfachen Weg, das zu vermeiden. Nimm das Fernrohr weg. Nur das ist es, was sie so sauer macht.«
    »Nein. Ich hole es nicht herein. Wenn sie wissen, dass ich sie beobachte, fahren sie vielleicht ein bisschen langsamer.«
    »Gib es mir. Ich werde es sicher verwahren.«
    »Es ist nicht viel wert, Stevie.«
    »Mich interessiert nicht, was es wert ist, sondern was die Leute denken. Und in Gottes Namen, Mum, hör auf zu fotografieren. Was letztes Mal passiert ist, soll sich doch nicht wiederholen, oder?« Sein Blick wandert zu den Fotos von Möwen, Katzen und Lummen. Zu den Delphinen. Zu den schönen Geschöpfen auf diesem Planeten. Er steht auf und geht zum Computer. Schaut sich die Bilder an, die sie morgens von den Nachbarn mit ihren Autos gemacht hat. »Ich meine, sieh dir das doch an. Die glauben, du bespitzelst sie.«
    »Na, das tue ich auch. Und das muss ich. Ich versuche die Unschuldigen dieser Welt zu beschützen. Die, die niemandem je etwas getan haben. Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
    »Auf deiner. Natürlich stehe ich auf deiner Seite, und das werde ich immer tun. Aber Mum, das hier sieht verrückt aus. Und je mehr Fotos du machst, je mehr Blödsinn du zusammenträgst, desto eher glauben die Leute, du hast sie nicht mehr alle. Tu mir einfach einen Gefallen: Hör auf zu fotografieren, Mum. Hol das Fernrohr ins Haus. Und diese Steinkatzen auf dem Dach müssen weg. Sie sind peinlich.«
    »Mir gefallen sie.«
    »Dir ja, aber dem Rest der Nachbarschaft nicht, oder? Es sieht aus wie das verdammte Hexenhaus in Hänsel und Gretel. Hör einfach auf mit diesen Fotos, und wirf die weg, die du schon hast.«
    Ruth klopft mit dem Fingernagel gegen einen Zahn, den abgebrochenen. Mustert ihn nachdenklich. »Bin ich dir auch

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