Hautnah
Hund machte sich lang, legte sich hin und ließ den Kopf auf die Vorderpfoten sinken. »Bist du schon dazu gekommen, dich wegen einem Auto zu erkundigen?«
»Ich habe rumgefragt. Noch nichts Konkretes.«
»Irgendwas müssen wir unternehmen«, sagte sie, obwohl sie ganz genau wusste, dass es an ihr hängenbleiben würde.
Sie saßen da, schaukelten in der Hitze und nippten an ihren Coladosen.
»Ob wir uns je an diese stickige Luft gewöhnen werden?«, fragte sie. Eine neue Dunstglocke hatte sich über den frischen, vom Gewitter gereinigten Tag gesenkt. Lara fühlte, wie ihr dort, wo das Gewicht von Marcus’ Beinen auf ihr lastete, der Schweiß die Kniekehlen herunterlief. Jede Pore in seinem Gesicht war gerötet, groß und glänzte.
»Wann fängst du heute an?«, wollte sie von ihm wissen.
»Um zwei. James und Betty haben gesagt, dass sie einen freien Vormittag brauchen, bevor sie sich ins nächste Projekt stürzen. Es ist nur eine Leseprobe und die Präsentation der Kostüme und des Bühnenbilds. Nichts Anstrengendes, Gott sei Dank.« Marcus trank den letzten Tropfen Cola und zerquetschte die Dose in der Faust.
»Eine Premiere, und gleich danach gehen die Proben für die nächste Inszenierung los. Das ist ganz schön viel Stress für sie, findest du nicht?«
»Nur während der Sommermonate. Den Rest der Zeit wursteln sie einfach so vor sich hin.«
Sie saßen nebeneinander, schwangen gemächlich hin und her und sahen zu, wie auf der menschenleeren Straße nichts passierte. Hund, der eingeschlafen war, wälzte sich winselnd herum.
»Könntest du so weit draußen leben?«, fragte Marcus. »So wie er?«
»Ich weiß nicht.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Auge. »Ich glaube, so ganz allein wäre das nichts für mich. Ich hätte viel zu viel Angst.«
»Soll ich dir ein Geheimnis verraten?« Marcus nahm die Hände hinter den Kopf und streckte sich. »Als ich ihn auf der Party wiedergesehen habe, war ich im ersten Moment so eifersüchtig, dass ich dachte, ich komme mit der Situation gar nicht klar.«
Lara hielt den Atem an. »Wie meinst du das, eifersüchtig?«
»Auf seinen Erfolg. Er hat’s bis ganz nach oben geschafft und ich nicht.«
Erleichtert wollte Lara widersprechen, aber er hob die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten.
»Das ist die Wahrheit. Ich arbeite, verdiene dabei aber kaum genug zum Leben, und niemand ist so vernarrt in mich, dass er mich stalken würde. Aber weißt du was? Ich mag den Kerl. Das war mir total entfallen, weil ich ihn so lange nicht gesehen hatte. Ich mag ihn wirklich gerne.«
»Das ist gut«, sagte Lara.
»Und in gewisser Weise tut er mir auch leid. Mag sein, dass er einer der größten Stars von ganz Hollywood ist, aber er hat nicht halb so viel wie ich. All das hier hat er nicht.« Absurderweise zeigte Marcus dabei auf das Haus. Trotzdem wusste Lara, was er meinte.
»Ich habe lange gebraucht, um das zu begreifen, aber eigentlich bin ich viel, viel besser dran als Stephen Molloy.« Marcus nahm ihre Hand. »Außerdem«, setzte er hinzu und rieb mit dem Finger auf eine Art über ihre Handfläche, die sie ganz und gar unangenehm fand. »Wer weiß? Wenn mein Agent alle Register zieht, so wie wir es vor unserer Abreise besprochen haben, kommt ja vielleicht tatsächlich einer der großen Caster aus Manhattan hier hoch, sieht mich als Mr Mack und sagt: ›Das ist genau der rothaarige Scheißer, nach dem wir gesucht haben.‹«
Trotz des Gewichts, das auf ihrem Herzen lastete, lachte Lara.
»Ich habe bei dem Job hier einfach ein gutes Gefühl. Die Hauptrolle im schottischen Stück! So viel großartiger Text. Vielleicht bekomme ich alles mit Sahnehäubchen und einer Kirsche obendrauf. Man kann nie wissen.«
»Man kann nie wissen …«, sagte sie. Ihr Blick schweifte zu einem Fluchtpunkt weit hinten am Ende der Main Street. Das immerhin musste man Marcus zugutehalten: Sein Optimismus ließ ihn nur selten im Stich.
»Mummy, mir ist langweilig.« Jack kam auf die Veranda getrottet. »Ich hab Hunger.«
»Dann mache ich mich jetzt mal an meinen Text.« Marcus schwang seine Beine von Laras Schoß und griff nach seiner Tasche, die noch auf der Veranda lag, wo er sie bei ihrer Ankunft hatte fallen lassen.
Lara stand auf und ließ sich von ihrem jüngsten Sohn zurück in die Küche ziehen.
24
M arcus hatte Probe, Bella und Olly waren unterwegs, Jack schlief, und Lara hätte Zeit gehabt, sich ihrem Businessplan zu widmen. Stattdessen räumte sie auf. Es war ihr
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