Havelsymphonie (German Edition)
PC umgehen als sie, was bei einem Mann, der für die Computersicherheit einer großen Bank Verantwortung trug, auch nicht verwunderte. Also hatte sie ihm am Telefon in knappen Sätzen geschildert, wonach er suchen solle, und auf seine Frage, wie intensiv er denn nachforschen dürfe, lapidar geantwortet, dass er Dateien, auf die er stoße, ruhig knacken könne, wenn er nicht wieder vergäße, verräterische Spuren zu vernichten.
Sie selbst hatte sich derweil in die Goethestraße begeben und nun den Finger schon auf dem Klingelknopf. Was hatte Andrea gesagt? Finde etwas über diese WG heraus. Wie, hatte er leichtsinnigerweise nicht formuliert. Es blieb still. Sonja klingelte noch einmal, aber auch jetzt reagierte niemand. Entweder verfügten die Bewohner über einen ausgezeichneten Schlaf oder es war keiner zu Hause.
Als sie gerade versuchen wollte, die Tür mit ihrer EC-Karte zu öffnen, klapperten über ihr Schuhe durchs Treppenhaus. In dem Moment, in dem Sonja die Luft anhielt, stand auch schon ein älterer Herr neben ihr, auf dessen Arm ein Terriermischling hockte, der sogar einen selbst gestrickten Pullover trug.
„Da klingeln Sie vergeblich“, sagte der Alte abwertend und versuchte mit den Augen zu erkunden, was Sonja hinter ihrem Rücken versteckt hielt. „Die sind nur nachts zugange. Dann, wenn andere Menschen schlafen.“
„Ich bin von der Polizei und möchte zu Herrn Silbermann“, stellte sich Sonja mit einem gekünstelten Lächeln vor.
Die Miene des Mannes hellte sich plötzlich auf und er bückte sich, um seinen Mischling auf dem Boden abzusetzen. Diesen Augenblick nutzte Sonja, um unauffällig ihre EC-Karte in der Jacke verschwinden zu lassen.
„Von der Polizei? Das wird ja auch Zeit, dass ihr euch mal um diese Zigeunerbrut kümmert. Wozu bezahlt man denn sonst seine Steuern?“
Obwohl Sonja nicht ganz sicher war, ob ihr Gesprächspartner jemals eine andere als die Hunde- und Mehrwertsteuer gezahlt hatte, ging sie auf seine Bemerkung nicht weiter ein. „Wissen Sie, ob jemand da ist?“ Sie zeigte auf die Tür.
„Sind alle ausgeflogen“, behauptete der Alte selbstsicher. „Der Letzte ist vor einer halben Stunde weggegangen.“
Sonja nickte und verabschiedete sich, allerdings nicht ohne dem Hund über den Pony zu streicheln, was der mit einem giftigen Knurren quittierte.
Damit hatte sie sich aber auch von ihrem Vorhaben verabschiedet, sich auf illegale Weise Zutritt zur Wohnung von Carolin Reinhard zu verschaffen. Das hätte Andrea Manzetti sowieso nicht gefallen. Davon war sie überzeugt. Nicht wie im Film, hatte er ihr hin und wieder mit auf den Weg gegeben. Lieber gründlich nachdenken und Grauzonen ausleuchten, war sein Credo, was andere in der Abteilung allerdings verbotene Methoden nannten. Weil aber Manzettis Gedanken meistens wirklich so detailliert waren, kollidierte er entgegen den Weissagungen der Kollegen nur selten mit dem Gesetz, er touchierte höchstens hin und wieder Grenzpfähle, wie er es selbst auszudrücken pflegte.
Da sie also in der WG im Augenblick nicht weiterkam, eröffnete sich somit die Chance, doch an anderer Stelle zu ermitteln.
*
„Ich habe noch einige Fragen zu Carolin Reinhard“, sagte Manzetti, als es an der Tür des Intendanten klopfte.
„Ja, bitte“, rief Sebastian Hendel und nickte wohlwollend, als Sonja durch die Tür trat. Auch Manzetti nickte und nahm seinen Mantel vom Stuhl neben sich. Er hatte eigentlich schon viel früher mit ihr gerechnet, denn wenn sie sich erst mal in den Kopf gesetzt hatte, ihm zu folgen, war sie kaum mehr aufzuhalten.
„Ja, unsere Carolin“, sagte Hendel und ging damit wieder auf die Bemerkung von Manzetti ein, wobei er eine Keksdose öffnete, die er gleich wieder zudrückte. Das machte er viermal und sah dabei unentwegt aus dem Fenster. „Sie stand in der Blüte ihres Lebens und dann kommt einfach jemand und löscht es aus. Das kann doch nicht wahr sein.“ Jetzt sah Hendel mit verzweifeltem Blick zu Manzetti. „Sagen Sie mir, dass das alles nicht wahr ist. Es ist bloß ein übler Scherz, oder?“
„Nein, leider ist das alles so passiert, wie Sie es bislang auch erlebt haben.“ Er konnte mit den ständigen Gefühlsschwankungen von Sebastian Hendel nicht viel anfangen. Manchmal war der Mann zu Tode betrübt, dann wieder ein feuriger Erzähler. Theater eben, aber trotzdem war Manzetti die Situation nicht geheuer. Er hatte nach Hendels letztem Auftritt, bei dem er den Eindruck erweckt hatte, genügend Abstand
Weitere Kostenlose Bücher