Havenhurst - Haus meiner Ahnen
warum du mich verlassen hast, was ...“
„Ich habe dich nicht verlassen. Eine Woche nach dem Duell hat mich dein Ehemann entführt und auf eines seiner Schiffe geworfen. Ich sollte sterben!“
„Wie kannst du so etwas behaupten?“ rief sie aufgebracht. „Ian würde niemals versuchen ...“
Als Antwort riß Robert sein Hemd aus dem Hosenbund, zog es hoch und drehte sich um. „Dieses hier ist ein Andenken an seine Versuche.“
Elizabeth biß sich auf die Fingerknöchel, um nicht laut aufzuschreien. Entsetzt starrte sie auf die scheußlichen roten Striemen, die beinahe den ganzen schmalen Rücken bedeckten. „O Gott, o Gott...“
„Werde nur nicht ohnmächtig.“ Robert faßte ihren Arm, um sie zu stützen. „Du mußt stark sein, oder ihm wird sein Vorhaben doch noch gelingen.“
Sie ließ sich zu Boden sinken, stützte die Stirn auf die Knie und drückte sich die Hände auf den revoltierenden Magen. „O Gott...“ wiederholte sie immer wieder.
Schließlich nahm sie sich zusammen und dachte wieder klarer. Die Zweifel, die Warnungen, Wordsworth’ Entdeckungen und nun Roberts zerfetzter Rücken, das alles fügte sich zusammen und ließ sie innerlich zu Eis erstarren. Ian war ihre große Liebe und ihr geliebter Gemahl gewesen, und sie hatte in den Armen eines Mannes gelegen, der ihrem Bruder so etwas Schreckliches angetan hatte!
Sie stützte sich an dem Kirschbaum ab und erhob sich. „Berichte mir alles“, bat sie mit erstickter Stimme.
„Soll ich dir erzählen, warum er das getan hat? Oder soll ich dir von den langen Monaten erzählen, die ich in der Kohlengrube geschuftet habe? Oder von den Peitschenhieben, die ich bei meinem letzten Fluchtversuch bezogen habe?“ Elizabeth rieb sich die plötzlich eiskalten Arme. „Sage mir, warum.“
„Woher soll ich denn die Motive eines Wahnsinnigen kennen?“ fauchte Robert wütend. Offensichtlich hatte er Mühe, sich zu beherrschen. „Monatelang habe ich darüber nachgedacht und es zu verstehen versucht, und als ich hörte, daß er dich geheiratet hat, wurde mir alles sonnenklar. Wußtest du, daß er mich in der Woche des Duells auf der Marblemarle Road hatte töten wollen?“
„Ich habe Detektive damit beauftragt, nach dir zu forschen.“ Ihr entging, daß Robert plötzlich noch blasser als zuvor wurde. „Diese meinten allerdings, du hättest versucht, Ian Thornton umzubringen.“
„Unsinn!“
„Das war eine Schlußfolgerung“, gab sie zu. „Aber weshalb sollte Ian dich töten wollen?“
„Weshalb?“ wiederholte Robert höhnisch und machte sich erst einmal wie ein Verhungernder über Brot und Käse her. „Erstens weil ich ihn beim Duell angeschossen hatte“, antwortete er während des Essens. „Zweitens weil ich seine Pläne durchkreuzt hatte, als ich ins Gewächshaus gekommen war. Der Mann wußte ganz genau, daß es über seinem gesellschaftlichen Stand war, nach dir zu greifen.“
Er lachte häßlich. „Aber ich habe dafür gesorgt, daß das bekannt wurde. Danach haben ihm viele Personen den Rücken gekehrt. Das hörte ich noch, bevor ich in die Luke eines seiner Schiffe geworfen wurde.“
„Was willst du jetzt tun?“ fragte Elizabeth.
Robert neigte den Kopf in den Nacken und schloß die Augen wie ein gefolterter Mensch. „Er wird mich töten, wenn er erfährt, daß ich noch am Leben bin. Eine solche Auspeitschung wie die letzte überstehe ich nicht noch einmal, Elizabeth. Eine ganze Woche habe ich mit dem Tod gerungen.“ Mitleid und Entsetzen erfüllten sie. „Dann willst du also rechtliche Schritte unternehmen? Du wirst zur Polizei gehen, ja?“
„Das wäre sinnlos. Niemand würde mir glauben. Dein Ehegatte ist jetzt ein reicher Mann mit großem Einfluß.“ Die Worte „dein Ehegatte“ sagte er so anklagend, daß Elizabeth ihm nicht in die Augen zu schauen wagte.
„Ich...“ Sie hob die Hände, wollte sich entschuldigen, wußte indessen nicht, wofür, und nun kamen ihr auch noch die Tränen. „Bitte ...“ rief sie ratlos. „Ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll. Ich kann nicht denken.“
Robert ließ das Brot fallen und umarmte sie. „Meine arme, schöne Kleine“, sagte er. „Nächtelang habe ich wachgelegen und mir seine schmutzigen Hände an deinem Körper vorgestellt. Er besitzt Bergwerke, tiefe, endlose Gruben, in denen Männer wie Tiere leben und geprügelt werden wie die Ochsen. Daher kommt das Geld für alles, was er kauft.“
Einschließlich der Schmuckstücke und der Pelze, die er mir schenkt,
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