Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
sein konnte, obwohl Google mir verraten hatte, dass sie erst neununddreißig Jahre alt war. Sie wirkte größer als auf den Fotos, die ich in Erinnerung hatte, und ihr olivfarbener Hautton ein wenig dunkler. Ihr Gesicht war jugendlich, sein Ausdruck munter und aufmerksam, wie bei einem Terrier auf der Jagd. Sie trug nur ein schlichtes Sweatkleid und flache Schuhe, aber die zahllosen Diamantringe waren schwer zu übersehen, als sie Natsumi die Hand entgegenstreckte.
»Charlene, Sie sind entzückend.«
Natsumi deutete ungerührt eine kleine Verbeugung an.
»Danke schön. Von Ihnen bedeutet mir das viel.«
»Und Sie sind Auric«, wandte sie sich mit einem festen Händedruck an mich.
»Es ist mir ein Vergnügen, Ms. Bellefonte.«
»Nitzy, bitte. Sollen wir einen kleinen Rundgang machen, ehe wir uns unterhalten?«
Was kurz hätte sein können, dauerte beinah zwei Stunden, da Nitzy uns nicht nur die Bedeutung eines jeden Werks erklärte, sondern auch die jeweiligen Umstände der Akquise, bei denen häufig knifflige Verhandlungen und erstaunliche Eskapaden ihres Großvaters und später von ihr und ihrem Mann Aidan eine Rolle spielten. Man konnte es allerdings nicht wirklich als unverhohlenen Hochmut bezeichnen, da ihr Vortrag so charmant und unbelastet von Selbstverliebtheit war. Natsumi und ich taten wenig, um sie aufzuhalten, da sie mit jedem Schritt durch das Museum herzlicher und gesprächiger wurde. Als wir endlich auf der bequemen Ledergarnitur in ihrem Büro saßen, alle mit einem Glas leichtem Weißwein in der Hand, glühte die Atmosphäre praktisch vor Wohlwollen.
»So, Sie müssen mir bitte unbedingt erzählen, was Sie sich ereignistechnisch vorstellen«, sagte sie, während sie zur Sesselkante vorrutschte, symbolisch an ihrem Saum zupfte und viel von ihren wohlgeformten nackten Oberschenkeln sehen ließ, damit wir uns daran erfreuen konnten.
»Feuer und Eis«, antwortete Natsumi, nachdem sie ein paar Sekunden gezögert hatte, um die Spannung zu steigern. »Selbstverständlich bleibt es jedem selbst überlassen, aber wir werden jedes Paar bitten, sich in feuriges Gold oder eisiges Silber zu kleiden. Schmuck ist natürlich optional.«
Sie und Nitzy kicherten gemeinsam kurz über die absurde Vorstellung, dass irgendeine Frau bei einer solchen Steilvorlage ohne Juwelen erscheinen würde.
»Im Haus«, fuhr Natsumi fort, »beginnen wir im großen Salon, dessen offener Kamin in gold-rotem Dekor erstrahlt. Hier trinken wir den Aperitif und plaudern ein wenig, ehe wir zum Abendmenü in den Bankettsaal wechseln. Ich denke, wenn wir zwei Tische aufstellen, wir können bequem fünfzig Personen unterbringen. Auch hier alles in Rot und Gold – wussten Sie, dass es Fackeln gibt, die ohne giftige Rückstände brennen? Nach dem Essen ziehen wir uns in den gigantischen verglasten Salon zurück. Wir öffnen alle Türen und Dachfenster und in der Mitte ein großer Tisch mit Skulpturen aus Eis, Getränken und Gelato – ich kenne ein Geschäft in der Stadt, das direkt aus Venedig importiert. Was meinen Sie dazu?«
Sie sah Nitzy an wie eine Bewerberin bei einem Cheerleader-Casting.
»Oh, Charlene, ich bin unsterblich verliebt. Sie sind so klug.«
Ich seufzte heimlich auf. Ob es nun ihr Ernst war oder nicht, die Sachverständige der hiesigen Oberschicht für Geschmacksfragen musste hinter dem Konzept stehen.
»Sie sind wirklich ein glücklicher Mann«, fügte sie mit einem Blick zu mir hinzu. Ich versuchte, bescheidenen Stolz auszustrahlen.
Nitzy begann eine Fülle logistischer Einzelheiten zu besprechen, an die ich in einer Million Jahren nicht gedacht hätte. Natsumi meisterte die Herausforderung brillant, diskutierte eifrig mit, ohne ihre Unsicherheit zu verraten. Ich hoffte nur, dass sie sich an alles erinnern würde.
Wir tranken zur Feier noch ein Glas Wein, ehe Nitzy uns zur Tür in den anbrechenden Abend begleitete. Unterwegs nahm sie mich beim Ellbogen und fragte in dick aufgetragenem entschuldigendem Ton: »Was soll ich den Leuten über Ihre Tätigkeit sagen, Auric?«
»Handel mit kriegswichtigen Gütern«, antwortete ich ohne Zögern. Ich blieb stehen und sah sie direkt an. »Es ist wichtig für Charlene, dass wir in der Gesellschaft willkommen geheißen werden. Aber ich ziehe es vor, meine geschäftlichen Angelegenheiten diskret zu behandeln. Es dringt nur wenig davon an die Öffentlichkeit, und ich habe Leute, die täglich dafür sorgen.«
Nitzy schien über den ersten Teil meiner Antwort erleichtert,
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