Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
andere Ende des Raums, von wo ich den Garten überblicken konnte. Eagle House war der heruntergekommene Apartmentblock in der Nähe des Universitätscampus gewesen, als sie an der Wharton studiert hatte. Meine Lebensumstände waren damals nur wenig besser, ich wohnte mit drei Zimmernachbarn in einer verkommenen Etagenwohnung in South Philly, von der ich kaum Notiz nahm, so absorbiert war ich von meiner Abschlussarbeit in fortgeschrittener statistischer Analyse.
Wieder stand ich vor einem undurchdringlichen Rätsel. Mit einem Verstand, der sein Wissen um die Sprache der Lösungen verloren hatte.
Der Zugangscode musste relativ lang sein. Eagle House hatte zehn Buchstaben. Falls A eins war und Z sechsundzwanzig, konnte der Code 51 712 581 521 195 lauten. Doch das schien zu lang und zu einfach, selbst für Florencia.
Zehn Stellen. Die Länge einer Telefonnummer.
Die Telefonnummer ihres Apartments im Eagle House. Verdammt, dachte ich, wie zur Hölle war die noch mal?
Ich begab mich zurück an meinen Computer und fing an, Mails zu schreiben, was bis zum Abend dauerte.
Die letzte Mail ging an Evelyn, der ich mitteilte, dass wie angekündigt eine bedeutende Summe von dem gemeinsamen Konto abfließen würde.
Ich verriet ihr weder warum noch sonst besonders viel, abgesehen davon, dass ich mich körperlich besser denn je fühlte und Fortschritte machte. Sie hatte diese Schwammigkeit nicht verdient, und ich schämte mich dafür, aber wenn ich anfing, ihr die ganze Geschichte zu erzählen, hätte ich nicht mehr aufhören können. Außerdem ging es auch um ihre Mitwisserschaft vor und nach der Tat, ich wollte sie auf keinen Fall weiter hineinziehen.
Ich war schwer versucht, ihr alles über Florencias Unterschlagungen zu erzählen. Aber auch hier wusste ich nichts mit absoluter Sicherheit – die Angelegenheit war nach wie vor völlig ungeklärt. Ich beschloss, den Schock und die Enttäuschung zu verschieben, bis ich überzeugt war, die ganze Wahrheit zu kennen.
Deshalb blieb ich bei nichtssagenden Beschwichtigungen und fiel mit dem Gefühl ins Bett, zwar unaufrichtig, aber gleichzeitig auch fürsorglich zu sein.
Wir stellten die Redensart, dass Leute umso mehr Müll anhäufen, je mehr Raum ihnen zur Verfügung steht, unter Beweis, indem wir fast eine Woche brauchten, um uns und das, was wir für unsere dürftigen Habseligkeiten gehalten hatten, in das riesige Haus umzuziehen.
Die angelieferte Kleidung war Teil des Problems, doch das größte Hindernis war die Installation meiner Computer samt Zubehör, früher überall verteilt in Gerrys Werkstatt, dem kleinen Haus in der Nähe der Kiesgrube in Wilton und der Wohnung in West Hartford. Ich konnte aus zwölf Räumen wählen, um alles zusammen aufzubauen, aber überraschenderweise wurde es durch dieses Überangebot noch schwieriger. Schließlich entschied ich mich für das Billardzimmer über der Garage mit den drei Stellplätzen, hauptsächlich wegen des Fehlens eines Billardtischs, wodurch genug Platz für eine Reihe von Klapptischen und einen Bürodrehstuhl blieb, mit dem man von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz rollen konnte.
Die kostbaren Metalle lagerte ich ebenfalls dort, in einem kleinen Stapel Pappkartons in einer der Ecken. Für einen Safe waren es zu viele; und ohnehin war ein Safe der sicherste Weg, der Welt mitzuteilen, dass man etwas zu verstecken hatte.
Natsumi stürzte sich auf die Haushaltsangelegenheiten, ohne sich um die Bestätigung von Geschlechterklischees zu scheren. Konfrontiert mit einer Küche doppelt so groß wie ihre frühere Wohnung, stockte sie die Vorräte auf, füllte den Geschirrschrank und dekorierte die Arbeitsflächen mit allen Spielarten moderner Küchengeräte.
Sie sprach mit Reinigungsunternehmen und Gartenbaubetrieben – Letzteres zu einer Zeit im Jahr, die dem Räumen der Zufahrt und dem Entfernen abgebrochener Äste aus dem Garten vorbehalten war – und entschied sich endlich für ein Ehepaar aus Kolumbien, das sich um alles kümmern sollte.
In einem der freien Räume installierten wir ein Solarium, in dem ich einige entspannte Tage verbrachte und so das tägliche Schminken überflüssig machte. Die Perücke war ein notwendiges Übel, das durch Natsumis geschickte Hand ein wenig erträglicher wurde.
Es war ein absolut befriedigendes Zwischenspiel, und ich genoss die Annehmlichkeiten trotz meiner beständigen Erschöpfung und Angst.
Eine der Freuden des Recherchierens ist die Entdeckung atemberaubender unbekannter
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