Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
verarbeiten, die man hat. Außerdem müssen Sie sich zehn Jahre dazu denken.«
Seine Haut war eher hell, sein schwarzes Haar aus der hohen Stirn nach hinten gekämmt. Erste Anzeichen beginnender Kahlköpfigkeit zeichneten sich ab. Er trug eine Sonnenbrille, und der Kragen seines weißen Hemds war hochgeschlagen, die ersten beiden Knöpfe geöffnet. Nicht gerade ein Hemd, das man mit dem Namen Austin Ott der Dritte in Verbindung brachte. Auf dem Foto trat er aus einer Tür, durch die er ein Restaurant oder Geschäft verließ.
Die Größe war schwer zu bestimmen, eine gewisse Fleischigkeit um die Kinnlinie deutete auf eine von der Tür verdeckte Wampe hin. Das Alter zu jenem Zeitpunkt lag irgendwo bei Mitte bis Ende fünfzig. Shelly hatte recht gehabt, meine Erwartung zu dämpfen.
Man konnte nicht viel damit anfangen, aber besser als nichts.
Die Gäste trafen im schimmernden Licht der Laternen ein, die an den Bäumen vor der Hausfassade und auf dem als Parkplatz abgeteilten Rasenstück installiert waren. Die meisten nahmen das Angebot eines Parkservice in Anspruch, aber einige wenige bestanden darauf, es selbst zu tun.
Mein Platz war am Eingang, wo ich jedermann die Hand gab und Mäntel entgegennahm, die ich an die Garderobenmannschaft weiterreichte. Dann führte ich die Gäste zu einer Reihe von Bars, an denen Grog und Hors d’oeuvres gereicht wurden, die große, in Rot und Gold gekleidete Männer über offenen Grills zubereiteten.
Zwischen den einzelnen Begrüßungen blieb mir gerade genug Zeit, um die Namen der Männer hinzukritzeln, die möglicherweise die Austin-Ott-Kriterien erfüllten. Als der letzte Wagen eintraf, hatte ich fünfzehn Namen.
Natsumi kümmerte sich um das Haus. Nach dem Spießrutenlauf durch Getränke- und Grillstationen in der Eingangshalle wurden die Gäste in den großen Saal geführt, an dessen Wänden schmale Plattformen aufgebaut waren, auf denen die frankokanadischen Feuertänzer Kunststücke darboten, die von Poi-Tanz mit riesigen Fackeln bis hin zum Feuerspucken reichten.
Die Band spielte selbstverständlich Songs mit dem Thema Feuer, aber in einer Lautstärke, die der Konversation zuträglich war, was nun nicht gerade eine Jimi-Hendrix-Atmosphäre aufkommen ließ.
Ich fand Natsumi in ein Gespräch mit einem meiner Kandidaten vertieft, der von einer Frau im goldenen Bodysuit begleitet wurde, der so eng saß, dass ich ihn zunächst für Farbe hielt.
Natsumi erklärte, dass die Frau den Anzug für eine James-Bond-Party bestellt hatte, wo sie als unglückliches Opfer von Goldfingers Rache aufgetreten war.
»Und Sie heißen Auric«, sagte die Frau zu mir. »Finden Sie den Anblick beunruhigend?«
»Ich finde ihn brillant«, erwiderte ich. »Sie nicht auch?«, fügte ich, an ihren Begleiter gewandt, hinzu.
»Ich bin als Ernst Stavro Blofeld gegangen, deshalb finde ich sie selbstverständlich brillant«, sagte er. »Sehr coole Feier, Auric. Sie wissen, wie man eine Party schmeißt.«
»Das Lob gebührt allein Charlene«, sagte ich und legte den Arm um ihr silbernes Tanktop.
Dasselbe Gespräch mit leichten Abwandlungen wiederholte sich durch die gesamte Cocktailphase, während wir in der Menge umherwanderten. Da die meisten Besucher einander kannten, plauderte man offen und freundlich. Als ich endlich auf Nitzy traf, packte sie meinen Arm und führte mich herum, stellte mich vor und deutete dabei versteckt ihre Urheberschaft für das dem Abend zugrundeliegende Konzept an. Ihr Kleid war aus bemerkenswert weichem roten Samt, gehalten von einer Kette aus vierzehnkarätigem Gold, wie sie mir unaufgefordert mitteilte.
»Ich glaube bestimmt, Aidan hat sie von einem Gangster in Harlem gekauft. Nur ein Scherz.«
Ich hatte einige der Kandidaten von meiner Liste gestrichen, nachdem ich mehr über ihr Leben erfahren hatte, aber nicht Aidan. Er erfüllte zu viele der Kriterien. Was allerdings auch nicht viel zu bedeuten hatte. Das Ganze war ohnehin hochspekulativ – doch wie Natsumi bemerkt hatte, Gefühle sind manchmal klüger als der Verstand.
Irgendwann zerrte Nitzy mich zu einem Kellner mit einem Tablett voll essbarer Goldblatt-Kanapees. Dort bediente sich gerade Elliot Brandt, der neue Besitzer von Florencias Versicherungsagentur.
»Und noch mal hallo«, grüßte ich, ihn daran erinnernd, dass ich mich schon an der Haustür vorgestellt hatte.
»Ein sehr schöner Abend, Mr. Grenouille«, sagte er. »Wirklich beeindruckend, selbst in diesem Teil der Wälder.«
»Nennen Sie
Weitere Kostenlose Bücher