Heartbreaker - Chartbreaker
Audrey! « Sie kniff mich in den Arm. »Das Lied ist auf Platz 1.«
»Super! Großartig! Warte noch kurz, damit ich ein bisschen Begeisterung heucheln kann.«
» Ohmeingott , das ist unglaublich. Das ist groß . Hast du überhaupt eine Ahnung, wie groß das ist?«
Ich warf ihr einen unsicheren Blick zu, während wir um die Ecke in die Eingangshalle bogen, wo die Mädchen vom Do-Gooders-Unterstützungskommitee bereits eine Leiter aufgestellt hatten und auf dem alten »Audrey, wait!«-Transparent die Zahl korrigierten. »›AUDREY, WAIT!‹ IST AUF PLATZ 1!« würde jetzt gleich dort zu lesen sein.
»Das meinst du jetzt nicht ernst?«, sagte ich zu Victoria. »Nicht wirklich, oder?«
Sie antwortete darauf nicht. »Die Lolitas haben noch nicht mal die Top Five erreicht«, sagte sie stattdessen. »Geschieht dir ganz recht, Simon.«
»Oh nein. Bitte! Erwähn ihn einfach nicht mehr!«
»Ich sag ja nur …«
Aber ich wollte nichts mehr hören, ich stellte Victoria innerlich den Ton ab. Mit ihrer Begeisterung nervte sie mich so
sehr, dass ich sie am liebsten mit einem Sofakissen erstickt hätte. (Na ja, nicht wirklich, aber ihr wisst, was ich meine, oder?) Auf welcher Seite war sie eigentlich? Sie jubelte immer nur, wie großartig und wie wunderbar das Ganze wäre und fand alles so toll, dass mir davon ganz schlecht wurde. Die begeisterte Victoria und die mürrische Audrey drifteten in zwei völlig entgegengesetzte Welten ab. Es würde nicht mehr lange gutgehen zwischen uns, bald würde es knallen. Und obwohl ich den Streit bereits vorausahnte, war ich nicht in der Lage, ihn abzuwenden.
Eine Woche später war es so weit.
34
So here we are at the last broadcast …
The Doves, »The Last Broadcast«
Ich gestehe, dass ich zur Hälfte schuld an dem großen Streit zwischen Victoria und mir war. Ich war wahnsinnig müde (und gleichzeitig von zu viel Koffein aufgeputscht), ich hatte keine Lust mehr, dauernd so viel für die Schule arbeiten zu müssen, und mir brummte der Schädel, weil ich bis spät in die Nacht mit James gechattet und mir Bendomolena auch noch das Kopfkissen streitig gemacht hatte. Ich konnte nicht klar denken, ich war einfach nur schlecht drauf - und überhaupt war alles bäh .
Okay. Das wollte ich bloß mal erwähnt haben. Aber was den Rest betrifft, da kann ich nur sagen: Der Streit ging total von Victoria aus.
Es war der Tag, an dem das Video zu »Audrey, wait!« das erste Mal gezeigt werden sollte, und Victoria wollte mit zu mir kommen, damit wir es zusammen anschauen konnten. »Ich will das gar nicht sehen!«, sagte ich, als wir über den Parkplatz unserer Schule zu meinem Auto gingen.
»Jaja, na klar«, meinte sie spöttisch. »Irgendwann guckst du es dir sowieso an, Audrey. Warum dann nicht gleich jetzt mit mir?«
»Es gibt doch online schon ein Bootleg zu sehen«, antwortete ich. »Kannst du es dir nicht da angucken?«
»Nein, weil mein Computer total nervt und ihr einen großen Flachbildschirm habt.«
»Damit ich darauf meinen miesen Ex-Freund besser sehen kann.«
»Du klingst wie eine verbitterte alte Frau.«
Ich biss mir auf die Zunge. Ich hatte genug davon, mir
immer anhören zu müssen, wie frustriert ich wirkte - vor allem von jemand wie Victoria, die mit ihrem Freund überall hingehen konnte, wohin sie wollte.
»James kommt nachher noch«, sagte ich. »Wir wollen zusammen lernen.«
» Lernen . Haha. Nennt ihr das jetzt so?«
»Ja. Du wirst es kaum glauben, wir lernen nämlich wirklich miteinander. Ich geb ihm Nachhilfe in Englisch und er mir in Geometrie.« Ich drehte den Zündschlüssel und ließ den Motor meines Autos stärker aufjaulen als nötig. »Das ist so ungefähr das Einzige, was uns geblieben ist.«
»Wirklich?«, fragte Victoria in ihrem ach-so-unschuldigen Tonfall. » Teen Vogue wollte ein Foto-Shooting mit dir und James bei einem Date machen, aber das hast du ja abgelehnt.«
Das weiße Rauschen in meinem Kopf wurde lauter. »Nicht gerade das, was ich mir unter einem Date mit James vorstelle. Wie wär’s mit etwas mehr Privatsphäre?«
Sie machte nur Pffffff . »Ach was, Privatsphäre wird absolut überschätzt.«
Ich sah an der Ampel aus dem Seitenfenster und bemerkte, wie mich drei Mädchen aus dem Nebenauto anstarrten. »Sagt sich so leicht«, meinte ich zu Victoria, »wenn man genug geschützte Privatsphäre hat.«
Zu Hause machte ich mir erst mal eine Cola auf, während Victoria im Wohnzimmer gleich nach der Fernbedienung herumsuchte. »Willst du
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