Hebamme von Sylt
eine Stimme fragte: »Ist das sicher? Du heiratest Marinus Rodenberg nicht?«
Geesche blickte Hanna an, ohne zu antworten. Sie dachte nicht einmal über eine Antwort nach. Der einzige Gedanke, der ihr durch den Kopf ging, war, dass Hannas Gesicht weder spöttisch noch schadenfroh war. Seltsam!
Gräfin Katerina von Zederlitz hatte sich von ihrem Dienstmädchen die Haare bürsten und sich dabei helfen lassen, das Taftkleid überzuziehen, das sie abends am liebsten trug. Als Rosemarie den letzten Knopf geschlossen hatte, sagte Katerina freundlich: »Es ist gut, du kannst nach Hause gehen.«
Das Dienstmädchen knickste und ging zur Tür. Aber gerade als Rosemarie die Klinke herunterdrücken wollte, wurde sie von der Stimme der Gräfin zurückgehalten. »Du denkst daran, dass du morgen länger bleiben musst? Wir sind zum Dinner bei der Königin eingeladen. Die Frisuren werden viel Zeit in Anspruch nehmen, vor allem die meiner Tochter.«
Rosemarie knickste erneut und versicherte, sie wolle ihr Bestes geben.
»Und natürlich musst du uns zur Hand gehen, wenn wir zurückkommen«, ergänzte Gräfin Katerina.
»Selbstverständlich«, antwortete Rosemarie, der die Arbeit bei der Gräfin jedes Opfer wert war.
»Dafür kannst du morgen später mit der Arbeit anfangen«, fügte Gräfin Katerina an, und Rosemarie knickste so tief, dass sie beinahe den Halt verloren hätte.
Sie gab Eveline die Klinke in die Hand, die sich erkundigen wollte, ob die Gräfin irgendwelche Wünsche habe, die noch vor dem Schlafgehen erfüllt werden sollten.
Gräfin Katerina verneinte und entließ auch dieses Dienstmädchen in den Feierabend. »Ich muss noch mit meiner Tochter besprechen, welches Kleid sie morgen tragen wird und welche Frisur.«
»Die Comtesse ist noch wach.«
»Ist die Gesellschafterin bei ihr?«
»Ja, ich habe Hannas Stimme noch vor wenigen Minuten gehört. Sie hat am Nachmittag weißes Band für die Comtesse besorgt, ist aber bald zurückgekehrt.«
Gräfin Katerina verabschiedete Eveline mit einer Handbewegung, die in jedem ihrer Dienstmädchen Bewunderung hervorrief und trotz vieler Versuche bisher von keinem nachgeahmt worden war. »Es ist gut, Eveline.«
Als das Mädchen sie verlassen hatte, stand Katerina auf und ging zum Fenster. Sie brauchte nicht lange zu warten, da sah sie eine Bewegung in der Nähe des Tores und dann einen Schatten, der in den Lichtkegel fiel, den die Sturmlaterne auf den Eingang warf. Wie nervös Arndt war! Irgendetwas beschäftigte ihn so sehr, dass er keine Ruhe fand. Warum sprach er nicht mit ihr darüber? Katerina spürte von Tag zu Tag deutlicher, dass ihr Mann etwas vor ihr verbarg. Anscheinend wartete er auf Marinus. Was mochte Arndt bedrücken, das er nur mit seinem Bruder besprechen konnte?
In Katerina stieg eine Sorge auf, die ihr so fremd war, dass sie doppelt schwer wog. Auf Arndt von Zederlitz war bisher stets Verlass gewesen. Ein integerer Mann, immer loyal den Menschen gegenüber, die zu ihm gehörten. Nun aber gab es etwas, das er nicht mit ihr teilen wollte.
Sie beugte sich vor, um besser sehen zu können, aber jetzt war Arndt nirgendwo mehr zu entdecken. Sie lauschte ins Haus. Nein, das Geräusch der Eingangstür war nicht zu hören.
Nun sah sie Rosemarie und Eveline, die das Haus durch eine Seitentür verlassen hatten, durchs Tor gehen. Sie hörte ihre Stimmen und ihr Lachen bis in die erste Etage. Vermutlich hatte Arndt sich in die Dunkelheit zurückgezogen, um von den beiden nicht bemerkt und nicht zu belanglosen freundlichen Worten genötigt zu werden.
Katerina schüttelte die Angst ab, die nach ihr greifen wollte,und verließ das Zimmer, um zu ihrer Tochter zu gehen. Dass Hanna Boyken sich dort aufhielt, gefiel ihr nicht, aber die Frage, warum sie die Gegenwart dieses verkrüppelten Mädchens nur schwer ertrug, schüttelte sie genauso schnell ab wie ihre Sorge um ihren Mann.
Als Katerina das Zimmer ihrer Tochter betrat, sah sie Hanna neben Elisa auf dem Bett sitzen. Im selben Moment verspürte sie wieder die Abneigung und wusste, dass sie in ihr rumoren würde, bis Hanna aus dem Haus war. Ein Unwohlsein wie damals, als ihre Gouvernante ihr immer wieder Grießpudding vorgesetzt hatte, obwohl sie ihn nicht mochte und ihr jedes Mal übel geworden war, wenn sie ihn vor sich stehen hatte. Doch es half nichts. Ihr Mann wollte dieses junge Mädchen als Gesellschafterin für seine Tochter.
»Lass mich mit meiner Tochter allein«, sagte sie und ignorierte, dass Hanna so
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