Heidelberger Lügen
entschuldige bitte!«
»Ich entschuldige überhaupt nichts. Du warst einverstanden mit dem Spaziergang. Und unter einer Wanderung verstehe ich etwas ganz anderes, nebenbei bemerkt. Du hast ja schon nach zwei Kilometern schlappgemacht!«
»Dann empfehle ich dir, deine nächste Geliebte beim Schwarzwaldverein zu akquirieren. Da soll es Prachtexemplare geben, die am Tag klaglos vierzig Kilometer marschieren. Manche sogar mit Gepäck!«
»Heinsheim liegt aber nicht im Schwarzwald.«
»Nicht?«, fragte sie verdutzt. »Wie heißt die Gegend denn?«
»Odenwald?« Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher. »Glaub ich zumindest.« Ich kratzte mich am Kopf und musste gegen meinen Willen grinsen. »Vielleicht gehört die Ecke auch zum Kraichgau?«
Auch Theresa schien jetzt Mühe zu haben, ernst zu bleiben. »Wenn ich nur wüsste, was ich an dir finde«, seufzte sie.
»Wollen wir nicht Platz nehmen? Es streitet sich angenehmer im Sitzen.«
»Du bist so ein Knallkopf.« Sie zog sich ein Sesselchen heran. »Aber leider bist du der süßeste Knallkopf, den ich kenne.«
Ich setzte mich aufs Bett. »Wie lautet die weibliche Form von Knallkopf? Knallköpfin oder Knällkopfin?«
»Weder von Knall noch von Kopf gibt es eine feminine Form. Deshalb kann es logischerweise nur männliche Knallköpfe geben.« Sie beugte sich vor und wurde ernst. »Hör zu, Alexander, es gibt ein Problem.«
»Weißt du, wie ich dieses Wort hasse? Vor allem nach Feierabend?«
»Egonchen hat angerufen.«
Egonchen, das war Polizeidirektor Doktor Liebekind, mein Chef. Ein fast zwei Meter großer Zweizentnermann. »Er will dich samt Töchtern zum Abendessen einladen, wenn er zurück ist. Offenbar hat er einen Narren an dir gefressen. Er hat noch niemals irgendjemanden aus dem Amt nach Hause eingeladen.«
»Er will was?« Ich starrte sie mit offenem Mund an. »Das geht nicht! Hör mal, das geht absolut nicht!«
Sie musterte mich spöttisch. »Soll ich ihm sagen, dass wir miteinander schlafen und du Angst hast, rot zu werden?«
»Theresa, das kannst du nicht machen. Und auch noch mit den Kindern!«
»Liefere mir eine brauchbare Begründung, und ich gebe sie weiter.«
Ich ließ mich rückwärts aufs Bett fallen. Nicht nur Liebekind würde merken, dass ich seine Frau nicht ansehen konnte, ohne an die geheimsten Stellen ihres Körpers zu denken. Auch meine Zwillinge würden den Braten nach spätestens fünf Minuten riechen.
»Okay«, murmelte ich schließlich. »Aber bitte nicht am kommenden Wochenende. Ich werde mich vorher voll laufen lassen. Oder vielleicht den Job hinschmeißen. Ich weiß noch nicht.«
Sie gluckste. Auf einmal lag sie neben mir, und ihre Stimme hatte einen anderen, viel, viel weicheren Klang. »Meinst du nicht, es wirkt ein bisschen komisch, wenn wir beide sturzbetrunken sind, bevor es überhaupt losgeht?«
»Und du musst unbedingt was ganz Keusches anziehen. Ich will kein Stückchen Haut an dir sehen.« Natürlich konnte ich meine Hände nicht bei mir halten. »Und bitte wirklich nicht gleich, okay? Ich brauche ein, zwei Wochen, um mich mental auf diese Herausforderung einzustellen.«
Auch ihre Hände waren längst auf Abwegen. Das war es, was ich an dieser Frau so genoss: Nie gab es Unklarheiten, wie unsere kurzen Abende verlaufen würden. Wenn Theresa Lust hatte, mich zu treffen, dann hatte sie Lust auf Sex. Da gab es keine heimlichen Erwartungen, kein vorsichtiges Tasten, keine verzagten Annäherungen, kein Beleidigtsein, wenn der andere einmal nicht wollte oder nicht konnte. Wenn wir uns trafen, dann wollten wir. Beide.
Wir führten eine Beziehung ohne Alltag, wenn auch neuerdings mit der Möglichkeit des Streits.
»Wie schön, dass es dich gibt, du Hund!«, hauchte sie in mein Ohr und biss zu.
»Fein, dass wir uns wieder vertragen, alte Hexe«, keuchte ich, rollte mich auf sie und begann, sie zu entkleiden.
Natürlich hatte sie den Verlauf des Abends vorhergesehen. Sogar an den Versöhnungssekt hatte sie gedacht. Ich stellte wieder einmal fest, dass Sex nach einem Streit seine ganz besonderen Qualitäten hat. Ein bisschen ist es dann wieder wie beim ersten Mal.
Später lagen wir schweigend Arm in Arm, träumten nebeneinander her, genossen die Wärme des geliebten Körpers, die Gerüche der Liebe, das Wissen, dass das, was wir eben getan hatten, sich jederzeit wiederholen konnte, wieder und wieder, noch viele Jahre. Für einen langen Augenblick fühlte ich mich unsterblich.
»Weißt du, was ich schön finde an
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