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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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hörbar gar nicht gefiel. Sie schloss die Tür hinter sich und führte mich in einen Raum, der zugleich ihr Wohn- und ihr Schlafzimmer zu sein schien. Es gab noch eine dritte Tür, hinter der ich das Arbeitszimmer ihres verstorbenen Mannes vermutete. Die Wohnung mochte vielleicht siebzig Quadratmeter groß sein. Es roch nach angebranntem Milchreis. Den dazugehörigen, verkrusteten Topf sah ich in der Spüle stehen. Auf dem Küchentisch lag eine Liste mit bedrückend kleinen Beträgen neben einem billigen Taschenrechner. Offenbar hatte ich Vanessa Kriegel bei der Berechnung ihrer Ausgaben gestört.
    Nachdem sie die Tür hinter uns geschlossen hatte, sah sie mich fragend an. »Haben Sie etwas Neues rausgefunden?«
    Wieder versuchte ich, bei meinem knappen Bericht so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. Ihr misstrauischer Blick wich keine Sekunde von meinem Gesicht, und ihre Miene verriet, dass sie mir nicht ganz glaubte. Langsam sank sie auf das sauber gemachte Bett, wies auf einen billigen Stuhl aus verchromtem Stahlrohr und hellgrauem Leder. Ich nahm ebenfalls Platz.
    »Und da ist bestimmt keine andere Frau gewesen, meinen Sie?«
    »Er hat das Zimmer allein bewohnt. Ich habe den Eintrag im Hotel-Computer selbst gesehen.«
    »Aber was kann er denn gewollt haben in diesem teuren Hotel? Er … wir hatten doch keinen Cent übrig!«
    »Es gibt in meinen Augen nur eine einzige Erklärung: Es muss etwas mit seiner neuen Arbeit zu tun gehabt haben.«
    Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass mir nur noch eine halbe Stunde blieb. Liebekind hatte gleich am Morgen auf elf Uhr zu einer Pressekonferenz geladen. Wir müssten uns der Öffentlichkeit stellen, hatte er mir erklärt. Offensiv müssten wir sein, Aktivität zeigen, der Bevölkerung immer das Gefühl vermitteln, wir hätten die Sache im Griff, es bestehe keine Grund zur Sorge.
    Björns ferner Protest steigerte sich zu wütendem Gebrüll. Vanessa Kriegel verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse und sah zum Fenster hinaus auf ein paar zerrupfte Kirschbäumchen hinter dem Haus. Unweit des Zauns rauschte der Verkehr über die Autobahn. Die Wolkendecke war heute wieder lichter als in den letzten Tagen.
    »Aber wenn es wegen seiner Arbeit gewesen wäre«, sagte sie tonlos, »warum hätte er dann lügen sollen?«
    »Da ist allerdings was dran.« Ich zögerte. Sah auf meine Hände. »War Ihr Mann irgendwie verändert in den Wochen vor seinem Tod? Ist Ihnen etwas an ihm aufgefallen?«
    Ohne den Blick vom Fenster zu wenden, antwortete sie leise: »Wir sind gerade mal ein Jahr verheiratet gewesen. Er hat das Kind so gern gehabt. Und dann die neue Arbeit. Er war auf einmal so … so froh, ganz aufgekratzt. Wir haben gedacht, jetzt geht’s endlich aufwärts, er kann mit der Zeit seine Schulden abbezahlen. Er hat doch solche Schulden gehabt wegen seiner Firma. Sogar über eine schönere Wohnung haben wir geredet. Ein paar Wochen noch, Vanni, hat er mal gesagt, dann haben wir das Elend hinter uns.«
    »Vielleicht werden wir klüger, wenn wir zusammen einen Blick in seinen Koffer werfen?«
    Mit schmalen Augen schüttelte sie den Kopf. Immer noch, ohne mich anzusehen. »Ich sage Ihnen doch, das da ist nicht Sörens Koffer! Seiner steht im Arbeitszimmer drüben. Und der war bestimmt nicht halb so teuer. So ein Ding hätte Sören sich doch nie leisten können!«
    »Ich finde, wir sollten trotzdem einen Blick riskieren. Ich wollte ihn nicht öffnen, wenn Sie nicht dabei sind. Immerhin gehört er ja Ihnen.«
    »Nein.« Sie schob die Unterlippe vor wie ein trotziges Kind. »Der gehört mir nicht.«
    Wortlos legte ich den Koffer auf einen kleinen quadratischen Kiefernholztisch unter dem sauber geputzten Fenster.
    »Sie haben doch bestimmt einen kleinen Schraubenzieher.«
    »Wollen Sie ihn kaputtmachen?« Entsetzt starrte sie mich an. »Der hat mindestens zweihundertfünfzig gekostet!«
    »Bringen Sie mir einfach einen Schraubenzieher und überlassen Sie mir den Rest«, fuhr ich sie an. Als ich mich für meinen ruppigen Ton entschuldigen wollte, war sie schon in der Küche verschwunden. Sie schien es gewohnt zu sein, von Männern grob behandelt zu werden.
    Während sie draußen in Schubladen wühlte, fielen mir ihre Worte ein: »Er hat das Kind so gemocht.« Von ihrer Beziehung zu ihrem Mann war nicht die Rede gewesen.
    Bald kam sie zurück und reichte mir eines dieser Dinger mit buntem Griff, wie man sie an Schießbuden erbeuten kann. Ich stellte den Koffer hochkant, setzte die

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