Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Straße liegt. Dort findet man Heidis Bruder, der gerade das kleine Einfamilienhaus mit winzigem Garten gleich neben der Straße zwecks Renovierung eingerüstet hat. Fündig wird man dann erst einige Straßen weiter, in der Kolpingstraße, wo Heidis Tante Anneli Wilden in einem kleinen, bescheidenen Siedlungsreihenhäuschen lebt und an ihrem Klingelschild den Vermerk „Heidi Klum GmbH“ angebracht hat. Der Vorgarten ist gepflegt und so klein, dass der Motorroller, der hier parkt, fast seine ganze Fläche einnimmt. Heidis Hauptquartier, zuständig für Europa, so mutmaßt der Besucher, muss irgendwo dahinter, in dieser kleinen Wohnung mit den weißen Gardinen liegen.
Oder sollte das Hauptquartier doch Erna und Günther Klums Residenz im Vorort Voiswinkel sein? Das schon einige Jahrzehnte alte Haus am Sonnenberg fügt sich optisch gut in die mittelständischen Familienhäuser ein, die dort sonst stehen, fällt aber hinter den prächtigen Anwesen an der Hügelspitze zurück. Es ist durch einen vor kurzem durchgeführten Anbau vergrößert worden, aber doch kein großer sozialer Sprung vom ursprünglichen Haus in Paffrath, wenn auch mit einem schönen, gepflegten Garten. Kein Klingelschild, kein Hinweis auf einen Firmensitz. Ein Nachbar („Die Klums, wo die Tochter Schauspielerin ist?“) erwähnt, dass hier im Gegensatz zu anderen Häusern der Gegend immer mehrere Autos parken würden, darunter einige von auswärts. Eine Passantin, die einen Kinderwagen vorbei schiebt, will wissen, dass Günther Klum krank sei und nicht mehr arbeiten kann.
Die Heidi Klum GmbH ist also offenbar nicht einmal eine Briefkastenfirma, sondern eine Firma, deren Briefkasten abgehängt und nie wieder befestigt wurde. Was mögen die Models denken, die nach der 4. Staffel von Heidis GmbH unter Vertrag genommen wurden? Darunter war ja auch die Gewinnerin, Sara Nuru. Wen rufen die Mädels an, wenn sie Hilfe brauchen? Wenn jemand im Jahr zumindest einige hunderttausend Euro Steuern in Bergisch-Gladbach entrichtet, sollte der nicht wenigstens Betriebskosten für ein kleines, hübsches Büro mit Sekretärin, vielleicht aber auch mit einem oder zwei Booker, einrichten, die Models an Geschäftspartner vermitteln können? Vor allem, wenn man bedenkt, dass diese Betriebsausgabe ja steuermindernd geltend gemacht werden könnte?
Wir kommen hier bei der Betrachtung der Heidi Klum GmbH auf die Grundlagen jedes Firmengeschäfts zurück, und zu den harten Fragen, denen sich jede Geschäftsfrau stellen muss. Ist eine Chefin, die sich nur auf ältere Familienmitglieder verlassen kann und deshalb auf alle jungen, dynamischen Mitarbeiter verzichtet, nur weil sie mit denen nicht verwandt ist, überhaupt tragbar? Kann eine Marke, die für Frische und Modebewusstsein steht, ihren Kunden neben einer guten Webseite als Firmensitz ein ärmliches und abgewohntes Mietshaus zumuten, das nicht einmal mehr einen Briefkasten aufweist? Welche Qualifikation als Modelagentin kann man einer schon älteren Dame zubilligen, die aufgrund ihrer Rolle als Tante der Firmeninhaberin in den Betrieb kam, um ersatzweise für ihren Bruder dieses Geschäft zu führen, der selbst nur als Autodidakt mit der Sache befasst war? Wie gut Günther Klum seine Aufgaben wahrgenommen hat und ob Anneli Wilden als Agenturchefin Klum gute Arbeit leistet, kann der zufällige Beobachter aus der Distanz zwar nicht beurteilen. Aber selbst wenn Heidis Familienmitglieder großartige Leistungen vollbringen würden, krankt – zumindest würden das Firmenberater so sehen - der Betrieb an einem Organisationsverschulden. Will die Marke Heidi Klum erfolgreich sein, muss sie auch professionell werden. Oder sie wird in dem Augenblick verschwinden, indem ihr Leitstern verblasst.
Die Firmenstruktur der Heidi Klum GmbH, wie sie sich heute darstellt, ist auch ein Ausdruck der Grundstrukturen von Heidis Persönlichkeit. Da ist einerseits Heidis große Sparsamkeit. Es ist eine Sparsamkeit in Bezug auf Finanzielles, aber auch in Bezug auf den persönlichen Einsatz von Kräften. Es ist dieselbe Sparsamkeit, mit der Heidi ihre Fernsehauftritte absolviert. Sie macht nur das Nötigste, um gewünschte Effekte zu erzielen, verschwendet sich nicht. Solange die Kameras laufen, versucht sie, die nötigen Bilder zu schaffen. Sind die Kameras ausgeschaltet, ist auch bei Heidi der Saft weg, und sie verlässt grußlos und ohne Smalltalk das Set. Nach dieser Devise ist Heidis Frage zulässig: Wozu brauche ich das alles? Wenn die
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