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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
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wiedersehen. Und Jakob auch nicht. Ich war kurz davor, ebenfalls zusammenzubrechen, so tief war meine Verzweiflung.
    Als die Tür erneut aufgerissen wurde, nahm ich es kaum wahr. Erst als ich unsanft am Arm gepackt und hinter Dorothea her in den niedrigen Gang des Drudengefängnisses gezerrt wurde, ließ meine Benommenheit nach. Einen kurzen Moment hatte ich die Hoffnung, dass sie uns zu Gretes Verlies bringen würden, um uns zusammen einzuschließen. Dann könnte ich versuchen, die alte Frau aus ihrer Ohnmacht zu holen …
    Doch der Raum, in den Dorothea und ich geführt wurden, war keine Gefängniszelle. Ein langer Tisch stand dort, an dem vier ältere Männer thronten. Drei von ihnen waren in teure Samtgewänder gekleidet. Zwei von ihnen trugen, ähnlich wie Förg zuletzt, steife Krägen aus übereinandergelegter Spitze. Der Dritte war etwas lässiger gekleidet, sein Spitzenkragen fiel ihm weich bis fast auf die Schulter. Albern sah es bei ihnen allen aus. Nur der Vierte bildete eine Ausnahme: Er trug ein einfaches, schwarzes Gewand und eine Tonsur. Es musste sich um einen Geistlichen handeln. Leider war es nicht Jakob. Aber inzwischen hatte ich die Hoffnung auf Rettung ohnehin fast aufgegeben. Eine Art Taubheit hatte sich in mir breitgemacht. Es war, als wäre ich gar nicht mehr richtig da, sondern stünde neben mir selbst und würde beobachten, was mit mir passierte. Gleichzeitig konnte ich die lähmende Angst, die wie ein schleichendes Gift durch mein Blut floss, deutlich spüren. Und auch, wie mein Herz eiskalt zu werden schien, als ich den Blick im Raum umherschweifen ließ. Seltsame Geräte standen dort verteilt, die meisten aus Eisen, aber auch eine Art hölzerner Galgen mit einem großen Rad zum Drehen. Ich hatte all dies schon einmal gesehen. In den Abbildungen der Geschichtsbücher in Professor Körners Zimmer. Nun erblickte ich unter anderem den sogenannten »Bamberger Betstuhl« – eine Platte mit zahlreichen scharfen Eisenspitzen, auf denen die Delinquenten qualvolle Minuten knien mussten – quasi live und in Farbe. Mit diesem und ähnlichen Instrumenten wurden die Gefangenen des Drudenhauses zu Geständnissen gezwungen.
    Ich wurde schlagartig klar im Kopf. Sie hatten Dorothea und mich in eine Folterkammer gebracht. Ich blickte in die Gesichter der vier Männer und wusste, dass wir auf keinerlei Gnade hoffen konnten.
    Der Zweite von links, einer von den beiden Spitzenkragenträgern, begann zu sprechen: »Ich stelle fest, dass am 17. Mai im Jahre des Herrn Sechzehn-Dreißig Dorothea Flock, beheimatet in Bamberg und …«
    Hier stockte der Mann und beriet sich flüsternd mit seinen Nachbarn, die alle den Kopf schüttelten, ehe er fortfuhr: » … ein Weib unbekannter Herkunft und Namens …« Sein angewiderter Blick blieb kurz auf mir haften. »… in den Kleidern eines Mannes, welches angeklagt ist, mit dem Teufel im Bunde zu stehen und den Tod des obersten Richters zu Bamberg herbeigeführt zu haben und …«
    »Moment mal! Förg ist vom Turm des Castrums gestürzt! Dass ich daran schuld war, müsst Ihr erst einmal beweisen! Und das mit dem Teufel ist natürlich totaler Bullshit!«, unterbrach ich den Spitzenkragenträger heftig.
    Einen Moment lang herrschte verblüfftes Schweigen. Das Gesicht des Sprechers lief puterrot an. »Falle sie mir nie wieder ins Wort, Drudenweib! Sonst lasse ich sie auf der Stelle aufziehen!«, schrie er aufgebracht. Mit seinem dunkelroten Kopf und dem steifen weißen Kragen erinnerte er mich an die gebratenen Truthähne, die in den USA zu Thanksgiving auf den Tisch kamen. Die trugen auf der Servierplatte auch immer so eine komische Papierkrause und hatten zu Lebzeiten eine ähnlich kreischende Stimme wie Mister Folterknecht hier.
    Ich musste versuchen, Zeit zu schinden. Tief in meinem Inneren schlummerte immer noch die Hoffnung, Dorothea und ich würden im letzten Augenblick gerettet werden.
    »Eure Vorwürfe sind haltlos«, sagte ich daher so ruhig wie möglich. Obwohl der Halsreif so eng war, dass mir das Sprechen schwerfiel und ich das Gefühl hatte, ständig husten zu müssen, fügte ich mit fester Stimme hinzu: »Ich verlange, auf der Stelle mit dem Sohn des Richters, Daniel Förg, zu sprechen. Er wird alles aufklären.«
    Die vier Männer sahen sich an. Dann brachen die drei Feingekleideten in Gelächter aus, während der Geistliche mich kalt und ohne eine Miene zu verziehen musterte.
    »Habt ihr gehört? Sie stellt Forderungen!«, wieherte der Wortführer, und die

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