Heike Eva Schmidt
anderen nickten, während ihr Gelächter den Raum erfüllte.
Schlagartig wurde der Anführer ernst und sah mich hasserfüllt aus schmalen Augen an: »Sie hat nichts zu verlangen, Weib! Ich rate ihr, die Buhlschaft mit dem Teufel zu gestehen, sonst wird’s ihr und der anderen rothaarigen Hexe schlecht ergehen«, zischte er und deutete mit dem Finger auf den eisernen Schraubstock, der direkt neben dem Galgen stand.
Doch statt mir Angst einzujagen, löste der Anblick nur eine unbändige Wut in mir aus. Wut auf ein paar Schwachköpfe, die aus lauter Verblendung und Frauenhass ihrer Grausamkeit freien Lauf lassen durften und nicht einmal dafür bestraft wurden. Im Gegenteil, ihnen fiel noch der Besitz der unschuldig zum Tode Verurteilten zu. Ich vergaß, dass ich nicht mehr in meiner Zeit lebte. Und dass es vielleicht nicht klug war, Kontra zu geben. In diesem Moment war mir alles egal.
»Ich werde gar nichts gestehen, denn ich bin unschuldig. Genau wie Dorothea! Und Ihr wisst das!«, spie ich dem selbstgefälligen Männerquartett entgegen. »Ihr wisst es sogar ganz genau, aber es kümmert Euch nicht. Ihr missbraucht Eure Macht und bereichert Euch, indem Ihr Unschuldige verbrennen lasst. Ihr seid nicht besser als Förg. Auch Ihr seid nichts weiter als feige Mörder!«
Einen Augenblick herrschte vollkommene Stille. Den vieren quollen fast die Augen aus dem Kopf. So hatte garantiert noch niemand gewagt, mit ihnen zu reden.
Der geistliche Beisitzer fand zuerst seine Sprache wieder. »Das wirst du bereuen, Hexenbrut«, zischte er.
Mit drei Schritten war er an der Tür, riss sie auf und brüllte: »Schickt die Schreiber herein! Mit den Folterknechten! Und vergesst die glühenden Eisen nicht!« Er wandte sich zu mir um, und seine Lippen verzogen sich zu einem falschen Lächeln. »Wir wollen sehen, ob du noch so mit uns sprichst, wenn dein Fleisch erst einmal versengt ist«, zischte er.
Ich weigerte mich, ihn anzusehen, ich wollte nicht, dass er die Angst in meinen Augen sah. Stattdessen versuchte ich, Dorotheas Blick aufzufangen. Sie starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, das Gesicht so weiß wie von der Sonne ausgebleichte Knochen. Ihre vollen, geschwungenen Lippen waren blutleer und sie biss sich heftig auf die Unterlippe.
Die Tür schwang auf, und zwei ernst dreinblickende, junge Männer mit Schriftrollen unter dem Arm kamen herein. Ohne uns eines Blickes zu würdigen, nahmen sie an dem langen Tisch Platz. Da wurde die Tür erneut aufgestoßen, und zwei grobschlächtige Typen erschienen. Der eine hatte sich offenbar schon mehrmals die Nase gebrochen, so platt und schief saß sie in seinem Gesicht. Dafür fehlten dem Zweiten vier Vorderzähne. Die beiden sahen aus wie eine Karikatur von zwei Türstehern in der Dorfdisko. Unschwer zu erkennen, dass es sich um die Folterknechte handelte.
Plattnase packte mich grob am Oberarm.
»Halt«, rief plötzlich einer der Männer mit dem steifen Spitzenkragen.
Der Knecht blickte hoch und wartete mit stumpfsinniger Miene auf weitere Befehle.
»Nimm zuerst die andere«, befahl der Mann und deutete auf Dorothea. »Die da«, damit meinte er mich, »soll zusehen. Damit sie weiß, was auf sie wartet!«
Du verdammter Scheißkerl, dachte ich hilflos, während mich der eine Folterknecht festhielt und der andere sich Dorothea griff. Gewaltsam zwang er das wimmernde Mädchen, sich auf den eisernen Sitz des Beinschraubstocks zu setzen. Während er ihren schmalen, bloßen Fuß grob in die Vorrichtung zwängte, las der Kragenträger aus irgendwelchen Papieren, die garantiert von vorne bis hinten gefälscht waren, die Anschuldigung gegen Dorothea vor.
»… angeklagt wegen der Buhlschaft mit dem Teufel, Hostienschändung und Verzaubern des Viehs der Bamberger Bauern …« Die Worte drangen wie durch einen Nebel an mein Ohr, und ich sah, dass die Federn der Schreiber eifrig über die Pergamentrollen kritzelten.
»Nein, nein, ich schwöre bei Gott und allen Heiligen …«, schrie Dorothea auf, doch keiner achtete auf sie.
Ich musste etwas tun, ich durfte nicht zulassen, dass diese Sadisten Dorothea quälten und ihr Schmerzen zufügten! Ich musste Zeit gewinnen! Doch der harte Griff des Mannes mit der platten Nase gab mir nur allzu deutlich zu verstehen, dass jegliche Gegenwehr umsonst wäre.
Schon wurde die Schraube des Folterinstruments angezogen, und die eiserne Manschette um Dorotheas Fuß zog sich langsam enger zusammen …
»Haltet ein, ich will ein umfassendes Geständnis
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