Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
bitten können, dich noch mal ins Haus zu lassen. Wieso bist du zu mir gekommen?«
»Weil eine Kontroverse nur einen Sinn hat, wenn die Beteiligten verschiedener Meinung sind.«
»Du bist also anderer Meinung als ich? Hast du nicht vorhin gesagt, mein Weg sei der vernünftigere?«
»Ich habe nichts dagegen, dass du den vernünftigeren Weg einschlägst. Aber ich kann nicht billigen, dass man den weniger vernünftigen Weg verwirft. Solange auch die geringste Möglichkeit bleibt, darf man sie nicht einfach so abtun. Man läuft Gefahr, vor lauter Saurierknochen die Erde wegzuwerfen.«
Gereizt schüttelte Kusanagi den Kopf. »Und was ist die Erde, von der du dauernd redest?«
»Das Wasser natürlich«, antwortete Yukawa. »Das Gift wurde dem Wasser beigegeben. Davon bin ich noch immer überzeugt.«
»Und dass das Opfer die Plastikflasche gewaschen hat?« Kusanagi zuckte die Schultern.
»Lass doch mal die Flaschen. Es gibt auch anderes Wasser.« Yukawa deutete auf die Spüle. »Aus dem Wasserhahn hier kommt jede Menge.«
Kusanagi sah den Professor fragend an. Kühl erwiderte dieser seinen Blick.
»Die Kriminaltechnik hat nichts Ungewöhnliches an dem Leitungswasser festgestellt.«
»Sie haben es zwar analysiert, aber nur um zu bestimmen, ob das Wasser im Kessel aus der Leitung oder aus der Flasche kam. Leider konnten sie jedoch den Unterschied nicht feststellen, weil sich durch den langjährigen Gebrauch im Kessel zu viele Rückstände von Leitungswasser befanden.«
»Aber wenn das Gift im Leitungswasser gewesen wäre, hätte man es dann nicht gefunden?«
»Selbst wenn das Gift irgendwo in der Leitung gewesen wäre, war es wahrscheinlich schon weggespült, als die Kriminaltechnik das Wasser untersucht hat.«
Nun wusste Kusanagi, warum Yukawa so genau unter dem Spülbecken nachgesehen hatte. Er hatte überprüft, ob das Gift in der Wasserleitung gewesen sein konnte.
»Aber das Opfer hat immer Mineralwasser zum Kaffeekochen benutzt.«
»So scheint es«, sagte Yukawa. »Aber wer hat das gesagt?«
»Seine Frau.« Kusanagi biss sich auf die Lippen und starrteYukawa an. »Selbst du verdächtigst sie? Obwohl du sie noch nie gesehen hast. Das hat Utsumi dir eingeredet.«
»Ja, sie hat ihre eigenen Ansichten dazu. Aber ich stelle eine Hypothese anhand objektiver Tatsachen auf.«
»Und dieser Hypothese zufolge ist die Ehefrau die Mörderin?«
»Ich bin der Frage nachgegangen, warum sie dir erzählt hat, das Opfer habe nur Mineralwasser benutzt. Man kann in zwei Richtungen denken: Dies entspricht den Tatsachen, oder es entspricht nicht den Tatsachen. Wenn es stimmt – kein Problem. Die Ehefrau wollte einfach nur die Ermittlungen unterstützen. Utsumi würde sie zwar noch immer verdächtigen, aber vielleicht nicht so stark. Problematischer wäre es, wenn diese Aussage nicht den Tatsachen entspräche. Eine solche Lüge würde natürlich nahelegen, dass die Ehefrau etwas mit der Tat zu tun hat. Die falsche Aussage muss irgendeinen Vorteil für sie haben. Also habe ich überlegt, was diese Aussage für die polizeilichen Ermittlungen bedeutet.« Yukawa befeuchtete sich die Lippen. »Die Polizei untersucht die Flaschen und stellt fest, dass sich kein Gift darin befindet. Dann wird Gift im Kessel gefunden. Nun hält man es für weitaus wahrscheinlicher, dass der Täter den Kessel vergiftet hat.«
Kusanagi schüttelte heftig den Kopf. »Das ist doch verrückt. Die Kriminaltechnik hätte das Leitungswasser und die Plastikflaschen auch ohne den Hinweis der Ehefrau untersucht. Durch ihre Aussage, ihr Mann habe nur Mineralwasser benutzt, hat sie ihr Alibi doch eher gefährdet. In Wirklichkeit hat Utsumi den Verdacht, dass das Gift in einer Mineralwasserflasche war, noch gar nicht aufgegeben.«
»Genauso ist es. Die meisten Menschen würden wahrscheinlichdenken wie sie. Ich frage mich, ob die Mineralwasser-Aussage nicht eine Falle ist, um solche Leute reinzulegen.«
»Eine Falle?«
»Für einen Verdacht gegen die Ehefrau ist die Theorie, dass eine der Mineralwasserflaschen vergiftet war, entscheidend. Hat sie eine völlig andere List verwendet, werden die Anhänger der Flaschentheorie niemals darauf kommen. Wenn das keine Falle ist, was dann? Also weiter: Wenn aber der Mann kein Mineralwasser benutzt hat –« An dieser Stelle verstummte Yukawa plötzlich. Seine Augen weiteten sich, und er richtete seinen Blick auf den Raum hinter Kusanagi.
Kusanagi wandte sich um und war genauso überrascht wie Yukawa.
In der
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