Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
House ihn nur derart nervös? Ohne Antwort aus der Sprechanlage ging die Tür auf, und Ayanes blasses Gesicht erschien. Sie musterte Kusanagi mit einem liebevollen Blick wie eine Mutter ihren Sohn.
»Pünktlich wie immer«, sagte sie.
»Ah, ja«, sagte Kusanagi mit einem Blick auf seine Uhr. Es war genau zwei, die Zeit, zu der er seinen Besuch angekündigt hatte.
»Bitte.« Sie öffnete die Tür ein wenig weiter und bat ihn herein.
Das letzte Mal war Kusanagi in der Wohnung gewesen, als er Hiromi Wakayama zu einer Befragung abgeholt hatte. Damals hatte er sich nicht so genau umgesehen, dennoch kamen ihm die Räumlichkeiten verändert vor. Der Arbeitstisch und die Möbel waren noch da, aber alles wirkte irgendwie leblos.
Er setzte sich auf den Stuhl, den Ayane ihm anbot, und schaute sich um, während sie ihm lächelnd Tee einschenkte.
»Es sieht so leer aus, nicht wahr? Erst jetzt merke ich, wie viele von den Sachen hier Hiromi gehörten.«
Kusanagi nickte schweigend.
Hiromi Wakayama hatte offenbar von sich aus gekündigt. Kusanagi fand das ganz natürlich. Jede normale Frau hätte das getan, nachdem ihr Verhältnis mit dem Ehemann ihrer Chefin entdeckt worden wäre.
Ayane war am Tag zuvor vom Hotel hierher übergesiedelt. Vermutlich hatte sie nicht vor, wieder in ihr Haus zurückzuziehen. Auch das konnte Kusanagi gut verstehen.
Ayane stellte die Teetasse vor ihn.
»Ich war heute Morgen dort«, sagte Ayane und setzte sich ihm gegenüber.
»In Ihrem Haus?«
Sie berührte ihre Teetasse mit einem Finger und nickte. »Um die Blumen zu gießen. Sie waren ziemlich welk.«
Kusanagi runzelte die Stirn. »Entschuldigen Sie, aber ich bin einfach nicht dazu gekommen.«
Ayane winkte ab. »Aber nein, ich hätte Sie von vorneherein nicht darum bitten dürfen. Bitte denken Sie nicht, ich hätte es deshalb erwähnt.«
»Das war sehr unaufmerksam von mir. Ich werde von nun an daran denken.«
»Nein, wirklich, bemühen Sie sich nicht. Ich werde sie von nun an selbst gießen.«
»Dann ist es vielleicht besser, wenn ich Ihnen Ihren Schlüssel zurückgebe.«
Nach einem Moment des Zögerns sah sie Kusanagi in die Augen. »Sind Ihre Ermittlungen denn nun abgeschlossen?«
»Nein, ich glaube, noch nicht.«
»Dann behalten Sie ihn doch bitte. Sonst müssten Sie mich ja jedes Mal fragen, wenn Sie ins Haus wollen.«
»Einverstanden. Ich übernehme die volle Verantwortung.« Kusanagi klopfte auf seine linke Brusttasche.
»Übrigens – hatten Sie die große Gießkanne mitgebracht?«
Die Teetasse in der einen Hand, fasste Kusanagi sich mit der anderen an den Kopf. »Ihre Dose mit den Löchern warauch nicht schlecht, aber ich finde eine Gießkanne praktischer. Ich hoffe, sie ist Ihnen nicht allzu sehr im Weg.«
Ayane schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie ist so praktisch, dass ich bereue, nicht schon früher eine gekauft zu haben. Vielen Dank.«
»Das beruhigt mich. Ich hoffe, Sie haben nicht an dieser Dose gehangen.«
»Aber nein, gar nicht. Sie haben sie sicher weggeworfen?«
»Hätte ich das nicht tun sollen?«
»Nein, Sie haben mir sehr geholfen.«
Da klingelte das Telefon. Ayane entschuldigte sich und nahm ab.
»Ja, hier Anne’s House … Ja, Frau Ota … Wie bitte? … Ach, schade … Ja, ich verstehe.«
Ayane lächelte zwar, aber Kusanagi sah die Anspannung in ihrem Gesicht. Sie legte auf, aber der angespannte Ausdruck blieb.
Sie entschuldigte sich und nahm wieder Platz.
»Etwas Unangenehmes?«
Ayane wirkte bedrückt. »Das war eine Schülerin. Sie muss wegen dringender Familienangelegenheiten aufhören. Sie war über drei Jahre bei mir.«
»Sicher ist es nicht einfach für eine Hausfrau, regelmäßig Kurse zu besuchen.«
Ayane lächelte. »Seit gestern bekomme ich eine telefonische Absage nach der anderen. Mittlerweile fünf.«
»Hat das mit dem Tod Ihres Mannes zu tun?«
»Das sicher auch, aber vor allem mit Hiromis Kündigung. Im vergangenen Jahr hat sie fast den ganzen Unterricht übernommen, und die meisten sahen sich wohl als ihre Schülerinnen. Vielleicht haben sie auch gespürt, dass die Atmosphäresich verschlechtert hat. Frauen sind in dieser Hinsicht sehr sensibel.«
»Ich verstehe«, sagte Kusanagi, aber so richtig verstand er es doch nicht.
»Wahrscheinlich werden noch mehr aufhören. Vielleicht sollte ich die Schule einfach für eine Weile schließen«, sagte Ayane, die Wange in die Hand gestützt. Doch sofort richtete sie sich wieder auf. »Entschuldigen Sie, Herr Kommissar,
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