Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
ansehe, kommen Sie mir gar nicht so detailversessen vor. Sei’s drum. Was genau soll ich erzählen?«
»Damals sagten Sie, es habe sich um eine Single-Party gehandelt. Also eine Party, die dazu diente, alleinstehende Damen und Herren miteinander bekannt zu machen. Wie genau geht das vor sich? Stellt man sich der Reihe nach vor?«
Ikai winkte ab. »Aber nein. Es ist wie bei einer ganz normalen Stehparty. Sonst wäre ich gar nicht mitgegangen.«
Kusanagi nickte verständnisvoll. »Ist Frau Ayane allein auf dieser Party erschienen?«
»Ich glaube, ja. Sie stand allein an der Bar und trank einen Cocktail.«
»Wer von Ihnen beiden hat sie angesprochen?«
»Mashiba«, antwortete Ikai prompt.
»Wie genau?«
»Wir standen ebenfalls an der Bar, zwei Plätze von ihr entfernt, und Mashiba machte ihr ein Kompliment über das Etui ihres Handys, das auf der Theke lag.«
Kusanagi hielt beim Notieren inne. »Was war das für ein Etui?«
»Patchwork mit einem Fensterchen, durch das man das Display sehen konnte. Er sagte, das sei ja hübsch, so etwas hätte er noch nie gesehen oder so was in der Richtung. Ich weiß nicht mehr genau. Sie lächelte und sagte, sie habe es selbst gemacht. Daraus hat sich dann ein Gespräch entwickelt.«
»So haben die beiden sich also kennengelernt?«
»Ja. Natürlich hätte ich damals nicht gedacht, dass sie heiraten würden.«
Kusanagi beugte sich ein wenig nach vorn. »Sind Sie nur dieses eine Mal mit Herrn Mashiba auf einer solchen Party gewesen?«
»Natürlich. Nur dieses eine Mal.«
»War Herr Mashiba der Typ für so etwas? Ich meine, der Typ, der einfach eine unbekannte Dame anspricht? Tat er das öfter?«
Ikai zuckte die Achseln. »Schwer zu sagen. Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, Frauen anzusprechen, aber er war auch kein Schürzenjäger, nicht mal in der Studentenzeit. Er sagte immer, es käme nicht so sehr auf das Äußere an wie auf das Innere. Und ich glaube, er meinte es ernst.«
»Könnte man sagen, es war ein wenig ungewöhnlich für Herrn Mashiba, Ayane so ohne weiteres auf dieser Party anzusprechen?«
»Ja, ich war selbst ein bisschen überrascht. Aber ich hielt es für eine Art Intuition. Eine Sache des Gefühls. Schließlich kamen die beiden ja auch zusammen.«
»Gab es damals irgendetwas, das Ihnen sonderbar erschien? Vielleicht nur eine Kleinigkeit?«
Ikai überlegte und schüttelte den Kopf. »Nein, da fällt mir nichts ein. Höchstens, dass ich ziemlich abgemeldet war, weil die beiden sich so angeregt unterhielten. Aber was sollen all diese Fragen, Herr Kommissar? Könnten Sie mir nicht einen Hinweis geben?«
Lächelnd steckte Kusanagi sein Notizbuch ein. »Wenn ich könnte, würde ich das gern tun. Vielen Dank, dass Sie Ihre Zeit geopfert haben.« Der Kommissar erhob sich, wandte sich aber auf dem Weg zur Tür noch einmal um. »Bitte sagen Sie niemandem etwas von unserer Unterhaltung. Auch nicht Frau Mashiba.«
Ikai warf ihm einen scharfen Blick zu. »Wird sie verdächtigt?«
»Das wollte ich damit nicht sagen. Behandeln Sie unser Gespräch bitte in jedem Fall vertraulich.« Kusanagi verließ eilig den Raum, um weitere Fragen zu vermeiden.
Vor dem Gebäude blieb er stehen und stieß unwillkürlich einen Seufzer aus. Ikais Aussage zufolge hatte Ayane sich Yoshitaka Mashiba nicht von sich aus genähert. Sie hatten sich zufällig auf dieser Party kennengelernt.
Aber war es wirklich so gewesen?
Ayane hatte Kusanagis Frage, ob sie Junko Tsukui kenne, verneint.
In Junko Tsukuis Bilderbuch Der Schneemann schwankt war der Wandbehang abgebildet, den er in Ayanes Schlafzimmer gesehen hatte. Ein Unikat. Die Patchwork-Künstlerin AyaneMita fertigte nur Unikate an. Demnach musste Junko Tsukui den Teppich irgendwo gesehen haben.
Doch Kusanagis Recherchen zufolge war dieser Wandbehang in keinem von Ayanes Katalogen abgebildet. Junko konnte ihn also nur auf einer Ausstellung gesehen haben. Aber bei solchen Ausstellungen war das Fotografieren verboten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Junko ein so exaktes Bild wie das in ihrem Buch ohne die Hilfe eines Fotos hätte anfertigen können. Sie musste den Wandbehang vor Augen gehabt haben. Folglich musste sie Ayane gekannt haben.
Warum hatte Ayane behauptet, Junko Tsukui nicht zu kennen?
Kusanagi sah auf die Uhr. Kurz nach vier. Er war um halb fünf mit Yukawa verabredet. Kusanagi zögerte. Am liebsten hätte er seinem Freund abgesagt, denn dieser würde ihn zweifellos mit unerwünschten Schlussfolgerungen
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