Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
drängten hinterdrein.
Zunächst war nicht mehr zu sehen als ein kleiner Raum, in dem die Möbel etwas durcheinander waren. Aus einer Ecke jedoch waren Geräusche von hektischer Aktivität zu hören, und jemand fluchte in mehreren Sprachen. Geoffrey und der große Mann gingen hinein. Die Menge hinter ihnen verharrte glotzäugig in ehrfürchtiger Erwartung.
Es war jedoch nicht die erwartete Rauferei im Gange. In einer Ecke kniete ein langer, schlaksiger Mann. Er hielt ein großes Glas Whisky in einer Hand und in der anderen einen Spazierstock, mit dem er nach einem kleinen, beweglichen Etwas stach, das über dem Boden schwebte. Wie sich sogleich herausstellte, handelte es sich dabei um eine gewöhnliche Stubenfliege, die gekonnt und mit sichtlichem Vergnügen den Angriffen auswich. Wie lange das Geschehen so weitergegangen wäre, ist unmöglich zu sagen. Doch die Fliege, des Amüsements überdrüssig, flog auf und machte Anstalten, sich zu verabschieden. Ihr Angreifer, den dieses unerwartete Manöver offensichtlich erzürnte, schüttete den Inhalt seines Glases in ihre Richtung und verfehlte sein Ziel. Die Fliege sauste auf seine Nase zu, stieß dagegen und machte kehrt, bevor sie mit einem selbst für phantasielose Menschen eindeutig als solchen wahrnehmbaren Freudenschrei durchs Fenster das Weite suchte.
Der Mann erhob sich in aller Seelenruhe und klopfte sich auf übliche Art und Weise den Staub von den Knien. Dunkles Haar, wirkungslos mit Wasser glatt gekämmt, stand ihm widerborstig vom Hinterkopf ab. Seine Wangen glühten wie Äpfel, was auf eine fast unverschämte Gesundheit und Hochstimmung hindeutete. Trotz des warmen Abends war er in einen gewaltigen Regenmantel gehüllt und trug einen ungewöhnlichen Hut.
»Meine Güte !« stieß Geoffrey mit Inbrunst hervor.
Gervase Fen, Professor für englische Sprache und Literatur an der Universität von Oxford, blickte sich gelassen um. »Das Problem mit Fliegen ist«, sagte er ohne Einleitung, »daß sie einfach nicht lernen . Man sollte doch meinen, daß man, wenn man so klein ist und auf einem beweglichen Objekt von ungeheurer Größe landet, das nach einem langt und schlägt und einen anschreit, Reißaus nimmt und sich für immer in einem Schrank einschließt. Aber nicht so Fliegen. Die fliegen einfach im Kreis und kommen immer wieder. Mit Fenstern ist es das gleiche. Generationen von Fliegen haben sich an Fenstern dumm und dämlich gestoßen, ohne je dahinterzukommen, daß sie nicht durchkönnen.«
Die Gäste des Pubs waren ungerührt zu ihren jeweiligen Gläsern zurückgekehrt. Der große Mann, der Geoffrey um Feuer gebeten hatte, sagte zu Fen:
»Ich hab Sie schon überall gesucht, Sir. Niemand wußte, wo Sie abgeblieben waren.«
Fen nickte vage. »Inspector Garratt, nicht wahr? Irgend etwas Neues im Fall Brooks?«
Geoffrey unterdrückte seine Verärgerung nur mit Mühe und sagte: »Und ich bin Geoffrey Vintner.«
»Das weiß ich«, sagte Fen.
»Nun, wollen Sie mich nicht begrüßen?«
»Oh? Oh?« sagte Fen. »Und was kann ich für Sie tun?«
»Sie haben mich hergebeten, damit ich die Orgel spiele.«
»Ach ja? Hab ich das?« sagte Fen. »Ich dachte, ich hätte den alten Raikes gebeten, von St. Christopher’s. Nicht, daß es was gebracht hätte«, fügte er nachdenklich hinzu. »Der ist nämlich seit Jahren bettlägerig.«
Geoffrey setzte sich, sprachlos vor Wut. »Und dafür bin ich den weiten Weg hierher gekommen und habe mir unterwegs drei Angriffe auf meine Person gefallen lassen müssen –«
»Was sagen Sie da, Sir?« fragte der Inspektor, jäh an ihn gewandt.
» Angriffe .«
Fen ächzte. »Noch mehr Komplikationen. Und dabei wollte ich hier friedlich Urlaub machen. Also gut, holen wir uns was zu trinken und sprechen wir über alles.«
Sie sprachen über alles. Zunächst faßte der Inspektor in groben Zügen die Fakten im Mordfall Brooks zusammen, die Geoffrey schon gehört hatte, und dann schilderte Geoffrey in sehr viel weniger groben Zügen – ja mit einigen Ausschmückungen – die Angriffe auf sich. Er hielt das für gerechtfertigt angesichts der unbefriedigenden und im Grunde wenig überzeugenden Art und Weise, wie die Angriffe erfolgt waren. Doch selbst in seiner Version schienen sie Fen und den Inspektor nicht sonderlich aus der Fassung zu bringen, was Geoffrey ungemein ärgerte.
»Ich werde helfen«, sagte Fen entschlossen, als Geoffrey schließlich verstummte.
»Gut«, sagte der Inspektor. »Scotland Yard hat uns bereits
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