Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Kanonikers. »Die Kirche setzt doch die Anbetung Gottes nicht einfach aus. Und wenn unsere Gebete und unsere Lobpreisungen je erforderlich waren, dann doch wohl gerade jetzt.«
»Lobpreisungen!« Die Stimme des Inspektors klang unerwartet bitter.
»Mein guter Inspektor, ich habe ganz einfach nicht die Zeit, über Ihre zweifellos lächerlichen Ansichten zu diskutieren, wieso Gott das Böse zuläßt und so fort. Also, Mr. Vintner –«
»Aber hören Sie, Sir.« Der Inspektor war verstimmt. »Es herrscht doch noch das reinste Chaos – völliges Durcheinander …«
»Das ist alles aufgeräumt worden.«
» Wie bitte ?«
»Unsere Putzkolonne hat das erledigt. Jetzt muß nur noch die Grabplatte wieder an Ort und Stelle gehoben werden.«
»Gott hab Erbarmen«, sagte der Inspektor. »Was die Leute so alles anstellen, wenn man mal nicht aufpaßt.«
Kanonikus Spitshuker blickte leicht verwirrt. »Ich fürchte, das ist in meinem Auftrag geschehen. Ich habe … ich habe doch wohl hoffentlich nichts falsch gemacht?«
»Es könnte sein, daß Sie wichtige Beweismittel zerstört haben, Sir.«
»Aber die Unordnung konnte doch wohl kaum so bleiben , oder, Inspector? … Du meine Güte.« Spitshuker wirkte betroffen. »Und ich hätte nicht im Traum gedacht … Tja, geschehen ist geschehen.«
»Und es läßt sich nicht rückgängig machen«, warf Fen überflüssigerweise ein.
»Also, Mr. Vintner: Die Abendandacht ist um halb vier, und der Chor steht Ihnen ab zwei Uhr zur Verfügung. Der arme Brooks hat die Probe immer im alten Gästehaus abgehalten – da steht ein gutes Klavier. Lassen Sie mich nachsehen.« Er griff in eine Jackentasche und holte einen Stoß Notizblätter hervor, die er hektisch durchging, bis er fand, was er suchte. »Für heute nachmittag haben wir Tertius Noble in B-Dur und Godfrey Sampsons Come, My Way angesetzt. Alles bekannte Stücke für die Jungs, denke ich.« Er hielt Geoffrey den Stoß Blätter hin. »Die Musik für zukünftige Gottesdienste ist hier notiert. Änderungen stehen Ihnen natürlich frei.« Er machte Anstalten, sich hastig zu verabschieden.
»Einen Augenblick, Sir.« Es war der Inspektor. »Sagten Sie eben, Sie hätten veranlaßt, daß die Grabplatte wieder an Ort und Stelle gehoben wird?«
Verstörung und Beunruhigung zeichneten sich in Spitshukers rosigem Gesicht ab. »Das habe ich in der Tat, aber wenn Sie der Ansicht sind, daß dadurch Beweismittel zerstört werden …« (Schwang da in seiner Stimme eine Spur Sarkasmus mit? fragte sich Geoffrey.) »Allerdings wäre es wohl nicht gerade wünschenswert, die Morgenandacht mit einem offenen Grab abzuhalten, oder?« Er lächelte arglos.
»Wenn es noch nicht erledigt worden ist, Sir, wäre ich gern dabei. Ich möchte noch ein paar Untersuchungen vornehmen.« Der Inspektor gab sich ausgesprochen förmlich und offiziell.
»Selbstverständlich. Selbstverständlich.« Spitshuker wirkte aufgewühlt. »Ich habe versprochen, die Arbeit persönlich zu überwachen.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Aber wir müssen uns sputen. Die Morgenandacht beginnt in knapp einer Stunde.«
Als sie in der Kathedrale eintrafen, stand da eine Gruppe von Männern, die unter Aufsicht des Küsters nicht gerade begeistert auf die heruntergestürzte Grabplatte starrten. Zum erstenmal konnte Geoffrey das Grab von St. Ephraim genau in Augenschein nehmen. Unterhalb des Kirchturms, an der Stelle, wo die Querschiffe in das Hauptschiff der Kathedrale mündeten, führten ein paar Stufen hinauf in den Altarraum; die Stühle des Chors und der Geistlichen standen jedoch ein Stück weiter östlich, knapp unterhalb der Orgelempore. Direkt unter der Bischofsgalerie, aus der Wand herausgeschlagen, befand sich die Grabhöhle, die normalerweise von der Platte abgedeckt wurde. An den Rändern waren Eisenringe eingebettet, die zu den Ringen an den Rändern der Platte paßten; wenn die Platte das Grab verschloß, konnte sie mit Vorhängeschlössern gesichert werden, die durch die einzelnen Ringpaare gesteckt wurden. Das Grab selbst war zwar nicht sehr tief, aber etwa drei Meter lang und einen Meter achtzig hoch, und die Platte war verhältnismäßig dick. Unter gehörigem warnenden Ächzen wurde sie senkrecht gestellt und schließlich mit titanischen Anstrengungen in die Graböffnung gehievt. Sie paßte recht locker hinein, stellte Geoffrey fest, und der untere Rand verlief rund achtzig Zentimeter über dem Boden, der obere etwa einen Meter achtzig höher. Der Inspektor ließ
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