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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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es vor vierzig Jahren noch nicht gegeben hatte.
    Wir überquerten das Zentrum in einer erhöhten Vorfahrtsspur, die die Ziffern auf dem Taxameter flirrend verschwimmen ließ. Aber diese Phase dauerte nicht lange. Abgesehen von ein oder zwei Hochglanzlimousinen und vereinzelten Taxis hatten wir den Straßenbogen fast für uns allein, und als wir uns auf der anderen Seite in den Lagunen-Highway einfädelten, pegelte sich der Fahrpreis auf eine vernünftige Höhe ein. Wir kringelten uns von der erhöhten Zone fort und flogen über die Slums hinweg. Wohnraum für einfachste Ansprüche, dicht an die Fahrbahn gedrängt. Diese Geschichte kannte ich bereits von Segesvar. Die geräumten Ufergrundstücke zu beiden Seiten der Straße waren während meiner Abwesenheit verkauft worden, und frühere Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften wurden ignoriert. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf ein nacktes zweijähriges Mädchen, das sich an den Maschendrahtzaun auf einem Flachdach klammerte, völlig fasziniert vom Verkehr, der zwei Meter von seinem Gesicht entfernt vorbeibrauste. Auf einem anderen Dach etwas weiter, schossen zwei etwas ältere Kinder selbst gebaute Raketen ab, die danebengingen und hinter uns in die Tiefe stürzten.
    Die Ausfahrt für den Binnenhafen sprang uns entgegen. Das Autotaxi bog mit Maschinengeschwindigkeit ab, überquerte mehrere Fahrbahnen und bremste auf ein etwas menschlicheres Tempo, als wir auf der Spiralkurve zum Slumviertel und zum Rand der Tang-Lagune hinunterglitten. Ich wusste nicht, warum das Programm so ablief – vielleicht sollte ich die Aussicht genießen, jedenfalls war das Terminal selbst ein durchaus hübscher Anblick – mit stählernem Gerippe in den Himmel vorstoßend, mit blauem Illuminium und Glas verkleidet. Die Fahrbahn schlängelte sich hindurch wie Fäden durch ein Fischerfloß.
    Drinnen kam das Taxi ohne Ruck zum Stehen und präsentierte den Fahrpreis in strahlend violetten Ziffern. Ich fütterte den Schlitz mit einem Chip, wartete, dass sich die Türen öffneten und stieg aus in die überwölbte klimatisierte Kühle. Vereinzelte Gestalten streiften hierhin und dorthin oder saßen bettelnd oder auf irgendetwas wartend herum. Die Tresen der Charterfirmen standen an einer Wand des Gebäudes aufgereiht, gekrönt von Holos in grellen Farben, die in den meisten Fällen ein virtuelles Kundendienstkonstrukt enthielten. Ich suchte mir einen Stand mit einer realen Person aus, einem Jungen, der noch keine zwanzig sein konnte. Er hing über dem Tresen und fingerte an den Schnelltransplantat-Buchsen in seinem Genick herum.
    »Kann ich Sie mieten?«
    Er wandte mir die trüben Augen zu, ohne den Kopf zu heben.
    »Mama.«
    Ich hätte ihm beinahe eine gescheuert, als mir einfiel, dass es vielleicht doch keine versteckte Beleidigung war. Er war intern verlinkt und machte sich nur nicht die Mühe, zu subvokalisieren. Seine Augen schalteten sich für einen Moment auf mittlere Entfernung, als er auf eine Antwort horchte, dann sah er mich wieder mit einem Tick mehr Fokus an.
    »Wohin wollen Sie?«
    »Vchira Beach. Einfache Fahrt. Setzen Sie mich einfach nur dort ab.«
    Er grinste. »Alles klar. Vchira Beach ist vom einen bis zum anderen Ende siebenhundert Kilometer lang. Wo auf Vchira Beach?«
    »Im Süden. Auf dem Strip.«
    »Sourcetown.« Sein Blick musterte mich zweifelnd. »Sind Sie Surfer?«
    »Sehe ich wie ein Surfer aus?«
    Offenkundig gab es darauf keine eindeutige Antwort. Er zuckte missmutig die Achseln und schaute weg. Seine Augäpfel zuckten nach oben, als er wieder auf den internen Link ging. Ein paar Momente später trat eine kräftig wirkende Blondine in Tangfarm-Shorts und verblasstem T-Shirt durch die Hofseite des Terminals ein. Sie war in den Fünfzigern, und das Leben hatte sie an den Augen und um den Mund etwas ausgefranst, aber die Shorts zeigten, dass sie schlanke Schwimmerbeine hatte, und ihre Haltung war aufrecht. Das T-Shirt verkündete: Gebt mir Mitzi Harlans Job – ich könnte ihn im Liegen machen. Auf ihrer Stirn stand ein dünner Schweißfilm, und ihre Fingerspitzen waren leicht verschmutzt. Ihre Händedruck war fest und schwielig.
    »Suzi Petkovski. Das ist mein Sohn Mikhail. Sie wollen also, dass ich Sie zum Strip rüberbringe?«
    »Micky. Ja. Wann können wir losfahren?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich baue gerade eine der Turbinen auseinander, aber das ist Routinearbeit. Sagen wir, in einer Stunde. Oder einer halben, wenn Sie auf die Sicherheitschecks

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