Heiliger Zorn
auf die Schulter.
»Hört auf zu turteln, ihr beiden. Wir haben Probleme.«
»Nun ja«, grollte Orr. »Ich würde sagen, du redest Scheiße.«
»Tatsächlich?« Ich gab mir alle Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren, und ärgerte mich, dass ich nicht einfach auf volle Envoy-Überzeugungskraft geschaltet hatte, anstatt auf das Urteilsvermögen meiner DeCom-Kollegen zu vertrauen. »Wir reden hier von der Yakuza.«
»Das weißt du nicht.«
»Das kannst du dir an den Fingern abzählen. Vor sechs Wochen waren wir alle gemeinsam für den Tod des Sohnes eines hochrangigen Yakuza und seiner beiden Schläger verantwortlich. Und jetzt sucht jemand nach uns.«
»Nein, jemand sucht nach dir. Ob er auch nach uns sucht, ist noch lange nicht klar.«
»Jetzt hört mal zu.« Ich ließ den Blick über die in Sylvies fensterloser Unterkunft Anwesenden gleiten. Eine einzelne spartanische Koje, in die Wände eingebaute Schrankfächer und ein Stuhl in einer Ecke. Mit dem im Bett zusammengerollten Kommandokopf und dem versammelten Team war der Raum überfüllt und knisterte vor Anspannung. »Sie kennen Sylvie, sie haben sie mit mir in Verbindung gebracht. Das ist ziemlich deutlich geworden aus dem, was Oishiis Kumpel gesagt hat.«
»Mann, wir haben das Zimmer so gründlich gereinigt, dass…«
»Ich weiß, Jad, aber das war nicht genug. Sie haben Zeugen, die uns beide gesehen haben, vielleicht auch periphere Videoaufzeichnungen und möglicherweise noch mehr. Der Punkt ist, dass ich diesen Kovacs kenne, und glaubt mir, wenn wir warten, bis er uns einholt, dann werdet ihr feststellen, dass es verdammt egal ist, ob er nach mir sucht oder nach Sylvie oder nach uns beiden. Der Mann ist ein Ex-Envoy. Er wird alle Leute in diesem Zimmer erledigen, schon der Einfachheit halber.«
Die alte Envoy-Angst – Sylvie, voll gepumpt mit Genesungsmitteln und einfach nur erschöpft, schlief, und Orr war zu aufgebracht, um darauf anzuspringen, aber die Übrigen zuckten merklich zusammen. Unter der dicken Schicht DeCom-Lässigkeit steckten Menschen, die wie alle anderen auch mit Horrorgeschichten von Adoracion und Sharya aufgewachsen waren. Wenn die Envoys kommen, dann nehmen sie deinen Planeten auseinander. Natürlich war es nicht ganz so einfach. Die Wahrheit war viel komplizierter, und letztlich viel schrecklicher. Aber wer in diesem Universum wollte schon die Wahrheit hören?
»Wie wär’s, wenn wir ihnen von Anfang an den Wind aus den Segeln nehmen?«, überlegte Jadwiga. »Wir machen die Typen ausfindig, die hier auf dem Landkopf für Kovacs die Stellung halten, und knipsen sie aus, bevor sie eine Nachricht abschicken können.«
»Dazu ist es wahrscheinlich zu spät, Jad.« Lazlo schüttelte den Kopf. »Wir sind schon seit ein paar Stunden hier. Wer immer sich dafür interessiert, weiß längst davon.«
Etwas kam in Bewegung. Ich schwieg und beobachtete, wie es sich in die von mir gewünschte Richtung entwickelte. Kiyoka mischte sich mit ernster Miene ein.
»Wir haben jedenfalls keine Möglichkeit, diese Scheißer zu finden. Leute mit Millsporter Akzent und Schlägerfresse gibt es hier wie Plankton. Wir müssten mindestens den Landkopf-Datenstack ausspionieren, und…« – sie zeigte auf Sylvies embryonal zusammengekauerte Gestalt – »das entspricht im Moment nicht unseren Möglichkeiten.«
»Selbst wenn Sylvie online wäre, würden wir Schwierigkeiten bekommen«, sagte Lazlo finster. »So, wie Kurumaya derzeit über uns denkt, würde er uns schon an die Gurgel gehen, wenn wir uns mit der falschen Stromstärke die Zähne putzen. Ich nehme an, dass das Ding gegen Eindringlinge gesichert ist.«
Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der tragbaren Raumresonanz-Störeinheit, die auf dem Stuhl lag. Kiyoka nickte zurück – etwas erschöpft, hatte ich den Eindruck.
»Beste Ware, Las. Wirklich. Hab ich bei Reikos Straßenverkauf aufgegabelt, kurz bevor wir ausgelaufen sind. Micky, der Punkt ist der, dass wir hier praktisch außer Betrieb sind. Was sollen wir also deiner Meinung nach tun, wenn dieser Kovacs hier auftaucht?«
Los geht’s.
»Ich schlage vor, dass ich heute Nacht mit der Aufgang des Daikoku von hier verschwinde und Sylvie mitnehme.«
Stille erschütterte den Raum. Ich verfolgte Blicke, maß Emotionen, schätze ab, wohin sich die Sache entwickelte.
Orr ließ den Nacken kreisen wie ein Ringkämpfer beim Aufwärmen.
»Du«, sagte er nachdrücklich, »kannst dich in den Arsch ficken.«
»Orr…«, sagte
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