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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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Stimmengemurmel erklang aus der Entfernung. Der Sand unter meinen bloßen Füßen war noch kühl von der Nacht, und eine leichte, anhaltende Brise strich mir übers Gesicht. Das Geräusch von Wellen.
    Vchira Beach? Jetzt schon?
    Meine Hände steckten zu Fäusten geballt in den Taschen ausgebleichter Surfershorts, und in den Nähten der Taschen hingen Sandkörnchen, die…
    Die Sinneseindrücke verschwanden schlagartig, als ich erwachte. Kein Kaffee und kein Strand, an dem man ihn hätte trinken können. Kein Sand unter meinen Füßen oder an meinen sich öffnenden Fingern. Sonnenlicht gab es, aber es war schwächer als im Weck-Bild. Farblos fiel es durch die Fenster im anderen Zimmer und versickerte in grauer, drückender Stille.
    Ich drehte mich zaghaft auf die Seite und sah ins Gesicht der Frau, die neben mir schlief. Sie bewegte sich nicht. Ich dachte an die Angst in Nadia Makitas Blick, vergangene Nacht, als sie sich Stück für Stück dem Schlaf überlassen hatte. Immer mehr Ebenen des Bewusstseins, die ihr wie ein schlaffes Seil langsam aus den Fingern glitten, sich fortringelten und wieder strafften, wenn sie aufschreckte und sich wach blinzelte. Und dann war der Augenblick gekommen, als sie ganz losgelassen hatte und nicht zurückgekehrt war. Jetzt lag ich da und beobachtete den friedvollen Ausdruck auf ihrem Gesicht, während sie schlief, und es half nicht.
    Ich schlüpfte aus dem Bett und zog mich nebenan leise an. Ich wollte nicht bei ihr sein, wenn sie aufwachte.
    Und auf gar keinen Fall wollte ich sie selbst aufwecken.
    Grabung 301 erwachte mir gegenüber zu blassem Leben und öffnete den Mund. Das Kampf-Neurachem war schneller. Ich fuhr mir mit der Hand über die Kehle und zeigte mit dem Daumen Richtung Schlafzimmer. Dann nahm ich meine Jacke von einer Stuhllehne, zog sie über und machte eine Kopfbewegung zur Eingangstür.
    »Draußen«, flüsterte ich.
    Draußen entwickelte sich der Tag besser, als der erste Eindruck hatte befürchten lassen. Es war zwar nur Wintersonne, aber man konnte durchaus warm werden, wenn man sich direkt hineinstellte und die Wolkendecke gerade aufbrach. Daikoku stand wie der Geist eines Krummsäbels im Südwesten, und über dem Meer kreiste gemächlich eine Säule von kleinen Punkten, wahrscheinlich Reißflügler. Weiter unten waren am Rande meiner unverstärkten Sichtweite ein paar Schiffe zu erkennen. In der stillen Luft erzeugte Tekitomura ein leichtes Hintergrundbrummen. Ich gähnte und blickte auf die Dose Amphetamin-Cola in meiner Hand, dann steckte ich sie in die Jackentasche. Ich war so wach, wie ich es im Moment sein wollte.
    »Also, was wolltest du?«, fragte ich das Konstrukt neben mir.
    »Ich dachte, Sie würden vielleicht gerne erfahren, dass die Ausgrabungsstätte Besuch hat.«
    Schlagartig sprang das Neurachem an. Die Zeit schien um mich herum zäh zu werden, als der Eishundo-Sleeve auf Kampfbereitschaft schaltete. Ich starrte Grabung 301 ungläubig an, als die erste Ladung an mir vorbeizischte. Sah das Flackern zerschnittener Luft, als sie durch die projizierte Gestalt des Konstrukts fuhr, und dann wirbelte ich beiseite, während meine Jacke Feuer fing.
    »Dreckske…«
    Keine Kanone, kein Messer. Ich hatte beides drinnen gelassen. Keine Zeit, die Tür zu erreichen, und meine Envoy-Instinkte rieten mir ohnehin davon ab. Später würde mir das bewusst werden, was meiner Intuition jetzt schon klar war – reinzugehen wäre Selbstmord im Kaninchenbau. Mit brennender Jacke stürzte ich hinter die Hütte in Deckung. Der Blasterstrahl blitzte erneut auf, kam mir aber nicht nahe. Sie schossen noch einmal auf Grabung 301. Offensichtlich hielten sie das Konstrukt für ein echtes menschliches Ziel.
    Nicht gerade ninjamäßige Kampffertigkeiten, fuhr es mir durch den Kopf. Diese Typen sind ein vor Ort angeheuerter Hilfstrupp.
    Ja, aber sie haben Kanonen, und du hast keine.
    Zeit, die Arena zu wechseln.
    Brandverzögerer in meiner Jacke hatten die Flammen zu Rauch und einem Brennen an meinen Rippen reduziert. Aus dem verkohlten Gewebe tropfte Löschpolymer. Ich nahm einen tiefen Atemzug und rannte los.
    Rufe hinter mir, die schnell von Unglauben zu Wut hochkochten. Vielleicht dachten sie, dass sie mich mit dem ersten Schuss erwischt hatten, vielleicht waren sie einfach nur nicht besonders gescheit. Sie brauchten ein paar Sekunden, bevor sie wieder schossen. Inzwischen war ich schon fast bei der nächsten Hütte. Blasterfeuer knisterte in meinen Ohren. Hitze flackerte an

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