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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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unterbrochen von Warnrufen und dem Geräusch rennender Füße. Fünfzehn Meter über all dem stieß ich mich mit beiden Händen ab, ging in die Hocke und spurtete los.
    Der Ausleger überbrückte rund fünfzig Meter Leere, bevor er nahtlos in die Hauptmasse des Horsts überging. Am Übergangspunkt klafften breite, ovale Eingänge. Das Grabungsteam hatte versucht, auf der Oberseite ein Geländer anzubringen, aber wie bei der Leiter hatte das Epoxid dem Zahn der Zeit nicht standgehalten. Da und dort war das Kabel losgerissen und baumelte jetzt über den Rand, an anderen Stellen war es ganz verschwunden. Ich verzog das Gesicht und konzentrierte mich auf den breiten Flansch dort, wo der Arm ins Gebäude überging. Spurtete weiter.
    Das Neurachem destillierte eine Stimme aus dem Gebrüll weiter unten.
    »…scheuerten Wichser, Feuer einstellen! Feuer einstellen! Stellt das Scheißfeuer ein! Da oben, er ist da oben!«
    Unheilverkündende Stille. Mit der Kraft der Verzweiflung beschleunigte ich meinen Spurt. Dann wurde die Luft von Blasterstrahlen zerrissen. Ich rutschte aus und fiel beinahe durch eine Lücke im Geländer. Beschleunigte wieder nach vorne.
    Grabung 301 an meinem Ohr, brüllend laut durch die Neurachem-Verstärkung.
    »Teile dieser Ausgrabungsstelle sind derzeit als nicht sicher einzustufen…«
    Ich knurrte wortlos.
    Blasterhitze und der Gestank ionisierter Luft in meinem Rücken.
    Wieder die neue Stimme unten, vom Neurachem nah herangeholt. »Gib mir das Scheißding. Ich zeig dir, wie man…«
    Ich warf mich seitwärts über den Flansch. Die Entladung, mit der ich gerechnet hatte, schnitt mir sengend über Rücken und Schulter. Auf die Entfernung und mit einer so unhandlichen Waffe ein ziemlich sauberer Schuss. Ich ging zu Boden, rollte mich auf erprobte Art ab, kam auf die Beine und machte einen Hechtsprung in die nächste ovale Öffnung.
    Blasterfeuer folgte mir hinein.
     
    Sie brauchten fast eine halbe Stunde, um mir ins Innere zu folgen.
    Verborgen in der gerundeten Architektur der Marsianer reizte ich das Neurachem bis zum Äußersten aus, um den Streit zu belauschen. So weit unten in der Struktur konnte ich keinen Aussichtspunkt finden, durch den ich nach draußen hätte spähen können – marsianische Scheißarchitekten –, aber sonderbare Trichtereffekte in der Innenstruktur des Horsts trugen immer wieder einen Schwall von Stimmen an meine Ohren. Das Wesentliche ließ sich leicht herausfiltern. Die lokalen Helfer wollten ihre Sachen packen und nach Hause gehen, der Anführer wollte meinen Kopf.
    Man konnte es ihm nicht zum Vorwurf machen. An seiner Stelle hätte ich mich nicht anders verhalten. Man kehrte nicht mit einem halb erfüllten Vertrag zur Yakuza zurück. Und ganz sicher wandte man einem Envoy nicht den Rücken zu. Das wusste er besser als irgendein anderer der Anwesenden.
    Er klang jünger, als ich erwartet hatte.
    »… glauben, dass dieser Ort euch so eine Schweineangst einjagt. Lieber Himmel, ihr seid alle da unten am Berg aufgewachsen. Es ist nichts weiter als eine Scheißruine!«
    Ich ließ den Blick durch die Bögen und Hohlräume schweifen, spürte, wie sie die Augen sanft, aber nachdrücklich nach oben leiteten, bis sie schmerzten. Hartes Morgenlicht fiel durch unsichtbare Schächte weiter oben herein, aber auf dem Weg nach unten wurde es irgendwie weicher und verändert. Die matt bläulichen Oberflächen schienen es regelrecht aufzusaugen, und das Licht, das sie wieder abgaben, war seltsam gedämpft. Unterhalb des Vorsprungs in der Zwischenetage, auf den ich geklettert war, wechselten sich Zwielichtflecken mit Spalten und Löchern im Boden ab, die kein geistig gesunder menschlicher Architekt so platziert hätte. Weit darunter waren der graue Fels und der spärliche Bewuchs der Bergflanke zu sehen.
    Nichts weiter als eine Ruine. Klar.
    Er war jünger, als ich erwartet hatte.
    Zum ersten Mal fragte ich mich ernsthaft, wie jung genau. Mindestens fehlten ihm ein paar einschneidende Erfahrungen, die ich mit marsianischen Artefakten gemacht hatte.
    »Hört mal, der Mistkerl ist nicht mal bewaffnet.«
    Ich hob die Stimme, damit man mich draußen hören könnte.
    »He, Kovacs! Wenn du dir deiner Sache so sicher bist, warum kommst du nicht hier rein und holst mich selber?«
    Plötzliche Stille. Gemurmel. Ich hatte den Eindruck, ein unterdrücktes Lachen von einem der Einheimischen zu hören. Dann seine Stimme, ebenfalls laut rufend.
    »Die haben dich mit verdammt guten Lauschern

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