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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Antweiler
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Menschen leben. Erst durch mehrere Expeditionen in den nächsten vier Jahren wird der Welt klar, dass in diesem »menschenleeren« Gebiet mehrere Hundert Ethnien leben, insgesamt über eine Million Menschen. Das wissen auch die Bewohner im Landesinneren nicht, denn jeder kennt nur sein Tal.
    In der noch nicht im heutigen Maßstab globalisierten Welt kam es zuweilen vor, dass – zumindest aus westlicher Sicht – unbekannte Völker oder Kulturen »entdeckt« wurden. Solchen »Erstkontakten« haftet seit dem Zeitalter der Entdeckungsreisen eine magische Aura an. Sie sind fester Bestandteil von Berichten der Boulevardpresse und der pop-ethnologischen Literatur, denn sie faszinieren jeden. Entsprechende Meldungen tauchen bis heute immer wieder in den Medien auf. Tatsächlich handelt es sich dabei meist um Presseenten. Da wollen sich Einzelne wichtigmachen und übertreiben ihre Begegnung mit scheuen Menschen, die ihnen primitiv vorkommen. Manches »unentdeckte« Volk wird schlicht erfunden. Seit den 1970er Jahren gibt es keine noch zu entdeckenden Völker auf diesem Globus. In Neuguinea spätestens, seit das Land 1975 unabhängig wurde.
    First Contact
    Zwei Kulturen treffen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Menschen einer einfachen bäuerlichen Kultur, die bisher nur Kontakt zu ihresgleichen hatten, und Angehörige der sogenannten zivilisierten Welt. Welten trennen sie, ähnlich wie beim »Erstkontakt« in der Fantasiewelt der Science-Fiction. Dort bezeichnet das Wort die erste Begegnung zweier interstellarer Spezies oder Kulturen. Die Goldsucher und die Papua waren einander so fremd wie Vulkanier und Menschen bei »Raumschiff Enterprise«. Dennoch sind die beiden Kulturen nicht einfach nur aufeinandergeprallt. Statt zu kollidieren, haben sich die Gruppen ausgetauscht. Wie viel haben sie wohl vom anderen verstanden?
    Die Australier Bob Connolly und Robin Anderson drehten über diese Begegnung 1983 einen faszinierenden Dokumentarfilm: »First Contact«. Sie waren auf die Fotos von Michael Leahy gestoßen, der in vier Jahren Tausende von Aufnahmen gemacht und auch einige Filme gedreht hatte. Es gab sogar ein paar Zelluloidstreifen von der allerersten Begegnung. Einige der Goldsucher hatten Tagebuch geführt. All das hatte man 50 Jahre lang vergessen. Connolly und Anderson waren begeistert und gingen auf die Suche nach Beteiligten der denkwürdigen Begebenheit. Sie fanden tatsächlich überlebende Goldsucher in Australien, Zeitzeugen unter den Hochlandpapua und bei den Küstenbewohnern, die als Träger für die Expedition gearbeitet hatten. Sie führten Interviews und recherchierten intensiv über diese frühe Periode in Neuguinea. Herausgekommen ist ein faszinierendes Porträt der Perspektiven beider Seiten.
    Einige der Papua waren mittlerweile respektierte Dorfälteste in ihrer Siedlung. Sie konnten sich noch bestens an die Begegnung erinnern, weil sie dachten, ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Nicht etwa, weil sie glaubten, die Goldsucher seien Feinde. Eine solche Erfahrung von Fremdheit war in ihrem Weltbild gar nicht vorgesehen. Sie erzählten einhellig, dass sie die Goldsucher für zurückgekehrte Vorfahren hielten und dachten, sie kämen aus dem Totenreich im Osten. Oder, schlimmer noch, sie seien vom Himmel herabgestiegene Geister. Auf jeden Fall stufte man sie als gefährliche Wesen ein und sagte sich: »Auf keinen Fall anfassen!« Keine Angst hatte man dagegen vor den Flinten: »Wir dachten, die Gewehre wären nur dazu da, Schweine zu erlegen und Vögel zu schießen. Wir wussten nicht, dass man damit auch Menschen töten kann.« Im Rückblick amüsiert, berichteten die Papua von anderen Verwirrungen und Missverständnissen. So dachten sie, die merkwürdige Kleidung der Goldsucher schütze vor Krankheit.
    In den Interviews mit den Leahy-Brüdern wird klar, dass diese anfangs von den Papua ziemlich fasziniert waren. Sie wunderten sich, dass diese »Primitiven« einen so effizienten Anbau betrieben, ausgefeilte Bewässerungssysteme hatten und komplizierte Brücken bauten. Aber die Brüder haben nichts unternommen, um deren Kultur zu verstehen. Sie fanden die fast nackten Typen lustig, kindlich und zurückgeblieben. Die australischen Eindringlinge blieben in den damaligen Vorstellungen von »primitiven Kulturen« befangen. Erwachsene Träger von der Küste wurden von ihnen als »Jungs« bezeichnet, die Menschen im Inneren als »Buschkanaken«. Man hielt sie für diebisch und sah sie als

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