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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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stellen.«
    »Anna würde sagen, es geht auf keine Kuhhaut, was dir alles einfällt.«
    »Ich kann noch besser. Hör zu! Dr. Friedrich Feuereisen, ehemals Rechtsanwalt in der Biebergasse zu Frankfurt und amtlich bestellter Notar, erklärt hiermit an Eides statt, dass er binnen vier Wochen herausfinden wird, wer dieser braune Usurpator war. Wir fangen gleich heute mit den fälligen Recherchen an. Du und ich und der liebe Gott mit seinen berühmten langsam mahlenden Mühlen. Nur, wenn ich mich richtig erinnere, ist es ein ganz schönes Stück zu laufen. Von hier bis zur Rothschildallee, meine ich.«
    »So weit ist es nicht, vom Zoo aus schon gar nicht. Nur die Wittelsbacherallee hoch, die Berger Straße kreuzen und dann die Höhenstraße entlang. Wir waren schon mal da, Großmutter und ich. Sie war furchtbar aufgeregt. Es war kurz nachdem sie zu uns gekommen ist.«
    »Ich weiß, sie hat mir ausführlich von eurem Besuch berichtet. Es regt sie heute noch auf, von der Begegnung mit dem Gespenst aus der Vergangenheit zu sprechen. Theo heißt der Bursche, nicht wahr?«
    »Ja, Theo.«
    »Obwohl unsere Betsy ja sonst einen messerscharfen Verstand hat, versagt der komplett in Bezug auf die Rothschildallee. Sie ist der Meinung, sie habe alle Ansprüche auf ihr Haus verwirkt. In ihrem Kopf hat sich festgesetzt, der Diebstahl der Nazis an jüdischem Eigentum sei verjährt und auch in einem Rechtsstaat nicht rückgängig zu machen. Gräm dich nicht, Fanny, wenn du kein Wort von dem verstehst, was dein Vater hier probeweise vor sich hinbabbelt. Mir haben die Nazis nur den Beruf genommen, die Berufskrankheit haben sie mir hingegen gelassen. Immer nur im Fachjargon reden, es könnte dich ja einer verstehen.«
    »Ich hab schon verstanden, dass du was vorhast.«
    »Sieh mal einer an. Vielleicht stellt sich doch noch heraus, dass es sich gelohnt hat, Jura zu studieren. Als ich in der Untertertia bei einem Täuschungsversuch erwischt wurde, wollte ich Großwildjäger in Afrika werden.«
    »Und was hat deine Mutter gesagt?«
    »Sie war eine Seele von Mensch. Ein jüdisches Kind schießt nicht mit dem Gewehr, hat sie gesagt, und dann stellte sie meinen Lieblingspudding auf den Tisch. Schokolade mit Vanillesoße, die Soße im silbernen Schälchen der Großmutter. Mein Gott, ich kann ja wieder an meine Mutter denken und von ihr reden, ohne dass mein Körper brennt und ich mir Vorwürfe mache, dass ich sie im Stich gelassen habe, als ich nach Holland ging. Das hab ich dir zu verdanken, Fanny, nur dir. Kannst du verstehen, was das für mich bedeutet?«
    »Und ob ich das kann!«
    Sie brauchten nur eine Viertelstunde bis zur Rothschildallee. Fanny war es gewohnt, in einer Stadt, in der es nicht genug Trambahnen gab, weite Strecken zu Fuß zu gehen, und Fritz drängte es zur Tat. »Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch kann. Du bringst mir Glück, Fanny.«
    »Du mir auch.«
    »Do ut des, sagen wir Lateiner.«
    »Was heißt das?«
    »Sag ich dir zu Hause.«
    »Wo ist bei dir zu Hause?«
    »Nie sollst du mich befragen.«
    Das Haus Nummer 9 wirkte trotz der Kriegsschäden gepflegt. Der dritte und vierte Stock fehlten. Der Hof war gefegt, an fast allen Fenstern hingen Gardinen, jemand hatte selbst die am schmiedeeisernen Zaun befestigte Hausnummer geputzt und die Kratzspuren an den Hausbriefkästen im Hof mit Bleistift übermalt. Wieder angebracht war das alte Schild »Betteln und Hausieren verboten«. Das einstige Rosenrondell im Vorgarten war mit Kartoffeln bepflanzt, unter dem standhaften Fliederbaum, der die Bomben auf das Haus überlebt hatte, wuchsen Kresse, Schnittlauch, Petersilie und drei Salatköpfe. Spaten, Rechen und ein kleines hölzernes Kinderauto mit blauen Rädern lagen unter dem Balkon vom Parterre.
    »Die Petersilie werde ich euch ganz schnell verhageln«, drohte Fritz.
    Er fasste Fanny so fest am Ellenbogen, dass sie aufschrie. Einen kurzen Moment trieb sie die Unsicherheit aus den Tagen der Angst in die alte Not, doch sie lächelte und sagte: »Das ist gut.« Beide rannten im gleichen Augenblick los. Hand in Hand und schwer atmend standen sie vor der Haustür, blass und gespannt.
    »Das ist der Name, ich weiß es genau«, erkannte Fanny, sie fuhr mit dem Finger über das Schild, auf dem Berghammer stand.
    »Wohl dem Vater, dem Gott eine kluge Tochter gibt.« Fritz nahm den Finger erst von der Schelle, als er den Haustürsummer hörte, schob die Tür mit der Schulter auf und sagte befriedigt: »Los! Die Herrschaften lassen

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