Heimlich Fee 2: Wie wir den Dieb im Schlafanzug verfolgten (German Edition)
polterte Mia los. „Nur weil sie ihren bescheuerten Ring verschlampt hat, muss sie doch nicht gleich Kimi beschuldigen!“
Vor Wut schlug Mia mit der Faust auf den Tisch, dass die Teller eine Handbreit in die Luft sprangen.
Nelly nickte. „Wenn Clara noch einmal behauptet, Kimi würde stehlen, bekommt sie es mit mir zu tun!“
„Mit uns allen!“, fügte ich hinzu. Und ich kann euch eins versichern: Wir meinten es bitterernst.
Auf dem Weg zum Klassenzimmer mussten wir ziemlich grimmig ausgesehen haben, denn jeder wich uns aus. Als wir den Raum betraten, brach es mir fast das Herz. Kimi, meine liebe, hilfsbereite, witzige Kimi, saß am Zusatztisch hinten an der Fensterbank und hatte den Kopf auf die Tischplatte gelegt. Ihr Blick ging ins Leere.
Nach und nach trudelten auch die anderen acht Mädchen ein.
Keines sagte ein Wort.
Die Minuten, bis Frau Tautropf erschien, kamen mir unendlich lang vor. Sie unterrichtet uns in Selbstverteidigung, damit wir uns gegen gefährliche Wesen wie Muffeltrolle wehren können.
Heute hätte ich sie am liebsten gefragt: Gibt’s nicht auch Zaubersprüche gegen falsche Schlangen? Getraut habe ich mich das natürlich nicht.
Fortunea schien die Sache mit Claras Ring ziemlich durcheinandergebracht zu haben. Sonst ist sie bestens auf den Unterricht vorbereitet. An diesem Tag jedoch blätterte sie wie abwesend in ihrem Zauberbuch herum.
Das Ding ist ziemlich dick. Es liegt immer auf einem speziellen Ständer in unserer Klasse. Keiner würde es jemals wagen, das Buch anzufassen – so dachte ich jedenfalls.
Doch da hatte ich mich geirrt, denn mitten im Blättern zuckte unsere Direktorin zusammen. Das Lederband, das ihre langen blonden Haare bändigte, verrutschte.
„Wer von euch war das?“, stammelte sie. Es klang unendlich enttäuscht.
Wir sahen sie fragend an – bestimmt eine Minute lang. Dann hob Fortunea das schwere Buch in die Höhe und zeigte uns eine Seite. Nein, sie zeigte uns keine Seite. An der Stelle, auf die Fortunea tippte, war ein Blatt grob und hastig herausgerissen worden.
„Aus meinem Zauberbuch wurde eine Seite gestohlen“, sagte Fortunea fassungslos. „So was ist in all den Jahren hier am Internat noch nicht vorgekommen.“
Wir schwiegen betroffen. Ich wette, alle waren genauso geschockt wie ich. Dann stand Freia von ihrem Platz auf.
„Fragen Sie mal Kimi“, schlug sie mit falscher Freundlichkeit vor. „Die hat doch Blumendienst und war vorhin eine ganze Weile alleine hier. Vielleicht hat sie den Dieb ja gesehen?“ Freia klimperte mit den Augen und setzte sich wieder.
Alle starrten die arme Kimi an. Sie war kreidebleich, Tränen liefen ihr die Wangen herunter.
Unsere Direktorin ging auf sie zu und baute sich mit verschränkten Armen vor ihr auf.
„Kimi!“, sagte sie in bedrohlichem Ton. „Clara hatte also doch die Richtige im Verdacht. Erst nimmst du ihren Ring weg und jetzt zerstörst du auch noch mein Zauberbuch!“
„Frau Tautropf!“, brüllte ich und sprang empört auf. Kimi aber war schneller. Sie stürmte aus der Klasse und schmiss die Tür so fest hinter sich zu, dass die Kelche der Blumen hin und her wackelten.
„Frau Tautropf, wie können Sie so gemein sein?“, brüllte ich weiter. „Kimi hat keinen Ring geklaut. Und Ihr Buch? Wissen Sie denn genau, dass die Seite heute Morgen noch da war?“
Fortunea ist manchmal etwas zu streng. Aber sie kann auch Fehler eingestehen. Jetzt tat sie sich damit allerdings sehr schwer.
Erst sagte sie nichts, aber nach einiger Zeit schüttelte sie den Kopf und antwortete leise: „Also ich … ehrlich gesagt, nein …“
Mia sprang mir zu Hilfe. „Das heißt, jemand hätte die Seite auch letzte Woche herausreißen können? Als unsere geschätzte Freia Blumendienst hatte?“
Freia bombardierte uns mit giftigen Blicken, aber die taten nicht weh.
Fortunea nickte. Mias Worte brachten die große, weise Fee zum Grübeln. Und das mag ich an ihr. Eine Große, die die Kleinen ernst nimmt.
„Ihr habt Recht“, sagte sie kleinlaut. „Vor Wut war ich ein bisschen voreilig mit meinem Urteil. Das tut mir leid.“
Mia polterte ihr entgegen: „Entschuldigen Sie sich nicht bei uns, laufen Sie Kimi hinterher!“
Ob ihr’s glaubt oder nicht: Das hat sie dann auch gemacht. Fortunea rannte durch die Gänge der Schule und entschuldigte sich. Was genau unsere Direktorin gesagt hat, wollte Kimi später nicht verraten. Meine Freundin durfte auf jeden Fall für den Rest des Tages in ihrem Zimmer bleiben,
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