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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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und sie, unter abscheulichen Gebärden, mit sich fortführte. Vergebens rief die Marquise, von der entsetzlichen, sich unter einander selbst bekämpfenden, Rotte bald hier, bald dorthin gezerrt, ihre zitternden, durch die Pforte zurück fliehenden Frauen, zu Hülfe. Man schleppte sie in den hinteren Schlosshof, wo sie eben, unter den schändlichsten Misshandlungen, zu Boden sinken wollte, als, von dem Zetergeschrei der Dame herbeigerufen, ein russischer Offizier erschien, und die Hunde, die nach solchem Raub lüstern waren, mit wütenden Hieben zerstreute. Der Marquise schien er ein Engel des Himmels zu sein. 17
    Die Bilder erkennen wir wieder: Schloss, Nacht, Feuer, Kampf.
    Wie Kleist die Züge losschickt. Züge: seine Sätze. So sprach auch Odysseus in der Penthesilea . Eine Wortkette rollte er auf die Kämpfenden zu.
    In Innenräumen geht es nun weiter: Blitz in der Marquise, der Figur. Wer die Novelle kennt, weiß, wie konkret das gemeint ist. Wer die Novelle nicht kennt, darf sich freuen. Vor allem auf den Gedankenstrich. Erotisch? Nicht im Geringsten. Ein Fick. Wer den Hinweis auf das Marquisen-O als Loch übertrieben fand, betrachte diesen Strich. Flaubert macht aus ihm, gute 40 Jahre später, eine Kutschfahrt. Sehr erotisch: Man sieht, dass man nichts sieht. Und es dauert länger. Bei Kleist hingegen fährt sehr schnell, geradeaus, etwas in einen schmalen Raum.
    Er stieß noch dem letzten viehischen Mordknecht, der ihren schlanken Leib umfasst hielt, mit dem Griff des Degens ins Gesicht, dass er, mit aus dem Mund vorquellendem Blut, zurücktaumelte; bot dann der Dame, unter einer verbindlichen, französischen Anrede den Arm, und führte sie, die von allen solchen Auftritten sprachlos war, in den anderen, von der Flamme noch nicht ergriffenen, Flügel des Palastes, wo sie auch völlig bewusstlos niedersank. Hier – traf er, da bald darauf ihre erschrockenen Frauen erschienen, Anstalten, einen Arzt zu rufen; versicherte, indem er sich den Hut aufsetzte, dass sie sich bald erholen würde; und kehrte in den Kampf zurück.
    Viehisch nennt der Erzähler den Mordknecht, viehisch also auch, was der Graf tut. Viehisch die Schlacht? Der Griff des Degens – das quellende Blut, das O eines Mundes. Überdeutlich, möchte man meinen. Dazu ein schlanker Leib, als läsen wir Heftchensoap. Und doch alles – stockend. Von Komma zu Komma, mühsam, gepresst. Rasch geht die Handlung, der Arm. Die Sprache aber verschwindet fast. Der Graf parliert französisch, Anrede und Floskel, die Marquise selbst kann nichts mehr sagen. Einen doppelten Rhythmus baut Kleist, immer wieder versteht er sich darauf: flicht die Syntax aus, hängt Nebensätze in den Satz: »der ihren schlanken Leib umfasst hielt« »dass er, mit aus dem Mund vorquellendem Blut, zurücktaumelte«. Die Glieder des Satzes rahmen den blutigen Mund.
    Da hat es das erste Mal die Sprache »verschlagen«.
    Kommata kulminieren: »und er führte«. Orthographisch unsinnig, atemtechnisch richtig. So geht – es.
    Etwas geschieht, welche Verlangsamung, ein Durcheinander, ein Aufstand, was?
    Ein Strich.
    Danach greift wieder der Code, die Eleganz der Bewegungen, Hut ab, Hut auf – die anderen treten ein. Kohortenbuchstaben streben über die Seite. Der herrliche Graf lässt einen Arzt rufen, für Herz und Geist der Dame. Wie schön auch seine Versicherung, dass sie sich bald erholen werde. Ein auf engem Raum wiederholtes »bald«. Das ist Not und Komik in einem.
    Der zweite Skandal, von dem Kleist erzählt, ist größer als dieser erste, er ist intimer. Für die Darstellung bedient der Autor sich des entgegengesetzten Mittels, ruhig lässt er seine Prosa fließen. Keinerlei Hinweis auf Verstecktes, im Gegenteil. Kleist kennt den Trick: Wenn du etwas wirklich verstecken willst, stelle es überdeutlich in den Raum.
    Tatort: die Wohnung des Kommandanten. Zeitpunkt: die Obristin kommt nach der Wahrheitsprobe mit ihrer Tochter von deren Landsitz zurück. Bewerkstelligt werden soll die Versöhnung des Vaters mit der Schwangeren. Zwei Figuren handeln, eine Dritte, die Mutter, beobachtet.
    Sie vernahm, da sie mit sanft an die Tür gelegtem Ohr horchte, ein leises, eben verhallendes Gelispel, das, wie es ihr schien, von der Marquise kam; und, wie sie durchs Schlüsselloch bemerkte, saß sie auch auf des Kommandanten Schoß, was er sonst in seinem Leben nicht zugegeben hatte. Drauf endlich öffnete sie die Tür, und sah nun – und das Herz quoll ihr vor Freuden empor: die Tochter still,

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