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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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seinem Büro lag immer ein frisches Hemd für besondere Fälle, das hätte er jetzt gerne angezogen. Dazu reichte aber die Zeit nicht mehr, er käme dann nur noch später. Er mußte direkt ins Präsidium, auch wenn dank der großflächigen Schweißflecken sein Hemd aussehen würde wie das Fell einer österreichischen Kuh. Immer wieder wurde er von Motorrollern, die sich durch die Lücken zwischen den Autos zwängten, mit lautem Hupen von der Straße gedrängt. Verdammtes Pack! Einmal streifte ihn sogar einer mit dem Rückspiegel am Arm. Doch vom zugeparkten Gehweg aus würde er beim besten Willen keinen Wagen anhalten können.
    Gerade hatte er die Via Belpoggio überquert, als Rettung nahte. Ein blauer Wagen mit dem weißen Streifen der Polizia Statale näherte sich hinter den anderen Fahrzeugen. Laurenti winkte, fuchtelte mit den Armen, bis die Polizisten ihn erkannten und anhielten.
    »Guten Abend, Commissario«, grüßte der Beifahrer durch das offene Seitenfenster. »Was gibt’s?«
    »Tut mir einen Gefallen und fahrt mich zum Questore. Es ist dringend!«
    »Wo haben Sie denn Ihren Wagen?« fragte einer der beiden Streifenpolizisten.
    »Der ist schon vorausgefahren, weil ich die Hitze auf der Straße so liebe.« Laurenti war hinten eingestiegen. »Jetzt macht schon ein bißchen Lärm und zeigt mal, daß ihr gute Bullen seid!«
    Der Fahrer tat ganz offensichtlich gerne, wie ihm geheißen, und schoß mit heulender Sirene auf der Gegenspur an der Blechkolonne vorbei, immer wieder geschickt die Lücken zwischen den entgegenkommenden Autos ausnutzend. Die Zugluft trocknete Laurentis Hemd und die dunklen Flecken gingen allmählich zurück, dafür wurden ihre weißen Ränder immer deutlicher. Doch trotz Sirene und Blaulicht kamen sie im Moment nicht vom Fleck. Sie waren eingeklemmt zwischen einem schmutzigen Lieferwagen auf der linken Seite, dessen Hecktüren offenstanden, aber kein Fahrer zu sehen war, und einem Betonlaster, der rückwärts in eine Baustelle zu manövrieren versuchte. Der LKW-Fahrer war durch nichts aus der Ruhe zu bringen.
    »Wartet hier«, rief Laurenti plötzlich und war schon aus dem Wagen gesprungen, bevor einer der beiden Polizisten etwas entgegnen konnte. Er rannte in das Herrenbekleidungsgeschäft gegenüber und rief dem erstbesten Verkäufer zu: »Blaues Hemd, Kragenweite 41!«
    Der Verkäufer schüttelte irritiert den Kopf und bewegte sich mit eifrigem Schritt auf ein Regal zu. Ohne Hast zog er fünf Hemden heraus und breitete sie auf dem Verkaufstisch aus.
    »Ziehen Sie kariert vor, oder gestreift, oder uni, Signore?«
    »Uni«, schnauzte Laurenti und riß ihm eines der Hemden aus der Hand. »Dieses hier! Wie teuer ist das?«
    Der Verkäufer drehte das Hemd liebevoll in seinen Händen, bis er den Preis gefunden hatte.
    Inzwischen war der Inhaber des Ladens zu ihnen getreten. »Kann ich helfen?«
    »Polizei im Einsatz! Entschuldigen Sie! Wie viel schulde ich Ihnen?«
    »Das ist eine sehr gute Qualität, Signore. In Italien hergestellt, kein Import. Eine gute Wahl.« Jetzt nahm der Inhaber das Hemd in die Hand und suchte erneut den Preis. Laurenti platzte beinahe der Kragen, zumal er durch das Schaufenster sah, daß die Straße wieder frei war und die Polizisten sich suchend nach ihm umschauten. Hinter ihnen hupte es bereits.
    »Ja, hier.« Der Ladeninhaber hatte eine Lesebrille aufgesetzt, die ihm an einer Kordel um den Hals hing. »Da haben wir’s. 79000 Lire, bitte.«
    Die drei Kunden und die anderen Verkäufer schauten vorwurfsvoll zu ihnen herüber und tuschelten. Eine filmreife Szene.
    Laurenti kramte einen Fünfzigtausend-Lire-Schein aus der Hosentasche und drei Zehntausender. Er warf sie auf den Tisch und riß das Hemd an sich.
    »Stimmt so«, rief er und raste zum Ausgang.
    »Können wir sonst noch etwas für Sie tun? Eine Krawatte vielleicht?«
    »Kaufen Sie sich vom Rest ein Eis«, rief Laurenti über die Schulter zurück. Er sprang in den Wagen, und mit Blaulicht und Sirene schossen sie los.
    Laurenti zerrte das Hemd aus der Zellophanverpackung, zog die Nadeln, soweit er sie sehen konnte, heraus und warf sie auf den Wagenboden, dann entfernte er den Pappkragen, knöpfte sein altes Hemd hastig auf und streifte es ab. Der Polizist auf dem Beifahrersitz beobachtete ihn interessiert, und der Fahrer grinste. Kurz darauf stoppte der Wagen vor der Questura, und Laurenti stieg aus.
    »Danke, Jungs«, er warf das alte Hemd in den Wagenfond. »Könnt ihr mir das irgendwann vorbeibringen?«

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