Heinrich Mueller 01 - Salztraenen
sie von hinten nicht beim Erröten erwischen kann.«
Zaugg versteifte sich und fragte knapp: »Was hat das mit unserem Fall zu tun?«
»Fünf Frauen«, antwortete Blaser, »haben damals mit entblößten Brüsten auf einem Plakat gegen die Initiative demonstriert. Es hing in allen Lokalen, in denen junge Leute verkehrten.«
»Erzähl nicht immer alte Geschichten«, ereiferte sich der jüngere Kollege.
»Vielleicht hallt da was nach. Therese Bär war eine der Frauen.«
Sie begaben sich nun zu dritt ins Haus, besichtigten einen Raum nach dem anderen, still angesichts der Tragik, ließen das Schlafzimmer aus und fanden sich in der Küche wieder, in die wegen der tief liegenden Fenster nur wenig Licht drang.
Hermann Blaser sagte als Erster wieder etwas zu Hans Zaugg: »Du erinnerst dich an den Profiling-Kurs, den wir vor ein paar Monaten besucht haben.«
Zaugg erwiderte: »Mit dem schicken jungen Mann aus München?«
»Schick ja, aber auch äußerst kompetent. Zwei klare Mordfälle in einer Woche und ein Verdacht in einem etwas älteren Fall. Was würde denn ein Profiler zu unserer Situation sagen?«
Der Jüngere meinte: »Der hätte einen schweren Stand. Profiler kommen eigentlich nur bei Serientätern ins Spiel, dann, wenn sie ein Handlungs-, Motiv-oder Ortsmuster erkennen können. Aber das weißt du ja bereits.«
»Macht nichts«, erwiderte Blaser. »Es hilft beim Denken, wenn ich mich an den Kurs erinnere. Vielleicht denkt der Detektiv ja mit.«
Zaugg sagte: »Die Taten weisen keine Ähnlichkeiten auf. Ich weiß nicht, ob der Spezialist außer den lokalen Gegebenheiten etwas feststellen könnte.«
»Das heißt, der Täter muss Ortskenntnisse haben?«, fragte Müller.
»Ja.«
»Das hätten wir auch ohne Profiler herausgefunden«, sagte Blaser.
»Das stimmt schon, hilft aber nicht viel weiter. Wenn du in einem solchen Fall verwertbare Spuren hast, kannst du die Holzhammermethode anwenden, nämlich das ganze Tal zum DNA-Test antreten lassen.«
»Dann hätten wir den Täter auf sicher, bei dem vielen Blut hier«, meinte der Ältere. »Aber Vorsicht, vor zwei Jahren ist schon einmal ein Screening gemacht und die Bevölkerung verdächtigt worden. Ein erneuter Test fände keine gute Aufnahme.«
»Das Blut ist sowieso mit zu vielen anderen Spuren verunreinigt«, entgegnete Zaugg.
»Ist denn jetzt der Zeitpunkt gekommen«, fragte Müller, »einen Profiler aus Deutschland oder Österreich beizuziehen? In der Schweiz gibt es ja keinen.«
»Das ist richtig«, sagte Blaser. »Wir haben glücklicherweise auch wenige Serientäter, sodass es keinen ständigen Profiler braucht. Die Berner allerdings haben seit dem Fall mit dem Messermörder gute Kenntnisse in diesem Bereich. Wir fordern nachher den Störfahnder Bernhard Spring an.«
Zaugg warf ein: »Lass uns aber zuerst überlegen. Welche Folgerungen ergeben sich für ein Täterprofil? Handelt der Täter kalkuliert, weil er abgelegene Orte wählt? Oder handelt er verzweifelt, weil er Tatorte nimmt, bei denen er auf der Flucht beobachtet werden kann?«
Blaser sagte: »Damit wir uns nicht verrennen, wollen wir die Gemeinsamkeiten festlegen. Wir sollten uns nicht nur auf einen Einzeltäter konzentrieren. Ich lasse den Sturz von der Schrecknadel vorläufig weg. Also. Erstens haben wir es bei beiden Taten mit einem Gewaltexzess zu tun.«
»Das würde auf Dominanz oder Rache als Motiv deuten«, sagte Zaugg.
»So weit gehen wir noch nicht. Für psychologische Motiverklärungen sind wir nicht ausgebildet. Zweitens: Das Vorgehen könnte unterschiedlicher nicht sein.«
»Drittens«, ergänzte Müller, »der Täter hinterlässt keine oder extrem viele Spuren.«
»Das heißt«, sagte Blaser, »der zweite Täter ist entweder in seinem Vorhaben gestört worden, zum Beispiel wollte er noch das Haus abbrennen …“
»Dann zweifle ich an der Schuld von Ernst Bär«, wandte Zaugg ein.
„… oder wir haben es mit zwei verschiedenen Tätern zu tun«, schloss Blaser.
»Aufschlussreich fand ich die Ausführungen über das zu erwartende Verhalten«, sagte Zaugg. »Wenn der Verbrecher mit seinen Taten Erfolg hat, begeht er sie in immer kürzeren Abständen. Erhöht sich die Frequenz? Gerät er in Panik? Können wir einen weiteren Mord verhindern?«
Blaser gab zu bedenken: »Das ist bei zwei Vorfällen schwierig zu beurteilen. Es müssen ja nicht nur Morde oder Gewalttaten vorausgegangen sein. Lass uns mal die Akten daraufhin überprüfen, was im Kurzgraben in den letzten
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