Heiss wie der Sommer
Ranch darauf verwettet hätte, dass Davie tatsächlich sein Sohn war.
Oder war das nichts weiter als Wunschdenken? Seine Kindheit war die Hölle für ihn gewesen, und nach dem Tod seines Vaters kam es zu diesem Streit mit seinen Brüdern, der fünf lange Jahre einen Keil zwischen sie trieb. Dann hatte er auch noch Shawna verloren, seine beste Freundin, die die Liebe seines Lebens hätte sein sollen, es aber nicht gewesen war.
Damals war Tyler nicht in der Lage gewesen, eine Frau so vorbehaltlos und rückhaltlos zu lieben, wie er es jetzt bei Lily erlebte. Als es darauf ankam, hatte er keine Ahnung davon, was sich in seiner Psyche abspielte. Shawna bekam nie die Chance, all die Mauern zu überwinden, die er um sich herum errichtet hatte.
Tyler rollte sich zur Seite und schlug mit der Faust auf sein Kissen, als würde das irgendwas bewirken.
Tatsache war, dass es jetzt nichts mehr bewirken konnte – ganz sicher nicht für Shawna. Sie war alles andere als dumm gewesen; sie musste von Anfang an gewusst haben, was mit ihm los war. Und trotzdem hatte sie tapfer weitergemacht und alles unternommen, damit er glücklich war und damit sie selbst auch glücklich sein konnte.
Es tut mir leid, Shawna. Oh Gott, es tut mir so leid!
Das Beste und zugleich Schlimmste daran war das Wissen, dass Shawna ihm verziehen und ihm gesagt hätte, sie wisse, er gebe sein Bestes. Shawnas Eltern waren hart arbeitende Rancher gewesen, und sie war in einer viel besseren Welt aufgewachsen als er. Eigentlich hätte
er
derjenige sein müssen, der sich auf einer vereisten Straße in Montana mit seinem Wagen überschlug und dabei ums Leben kam.
Shawna hätte um ihn getrauert, aber ihre Eltern, ihre Brüder und Schwestern und alle anderen Verwandten hätten ihr durch diese schwere Zeit geholfen und ihr wieder Mut gemacht.
Inzwischen wäre sie ein zweites Mal verheiratet, Mutter von ein paar Kindern, und er wäre nur noch eine Erinnerung, die ihr manchmal einen Stich durchs Herz gehen ließ, wenn sie eine verschneite Straße sah oder wenn im Radio ihr Lied lief …
„Hör auf damit!“, knurrte Tyler zu sich selbst und stützte sich auf die Ellbogen. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern. Er musste aufhören, sich mit solchen Spekulationen zu quälen.
Er hatte seine Chance bei Shawna gehabt – und vertan.
Jetzt bot sich ihm bei Lily eine neue Chance.
Zwei Chancen im Leben, Cowboy!
, hielt er sich vor Augen.
Das sind zwei Chancen mehr, als viele andere Menschen sie bekommen. Also vermassel es nicht!
Er setzte sich auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
Vermassel es nicht?
Hatte er das etwa schon getan, indem er sich zu sehr mit Doreen und Davie befasste?
Was, wenn er sich irrte, was Davie anging?
Der Junge hatte einen Menschen sterben sehen, und als er später davon erzählte, endete seine Schilderung mit den Worten:
Dumm gelaufen.
Der Junge war möglicherweise ein Psychopath.
Oder einfach nur ein Dreizehnjähriger, der das Beste aus Situationen zu machen versuchte, mit denen die meisten Erwachsenen in ihrem ganzen Leben nicht konfrontiert wurden.
Für den Jungen sprach, dass er gut mit Kit Carson umging, der ihn im Gegenzug auch leiden konnte. Das sprach nicht für einen Psychopathen. Aber war damit auch die Möglichkeit ausgeschlossen, dass Doreen den armen alten Marty aus dem Weg geräumt hatte? Oder hatte Davie ihr geholfen, ihre Tat zu vertuschen? Oder war er vielleicht sogar Mittäter gewesen?
Jesus!
Was tat er womöglich Lily und Tess an, wenn er sie unter einem Dach mit Davie wohnen ließ? Das kleine Mädchen würde Davie auf eine Art ausgeliefert sein, die er sich lieber gar nicht vorstellen wollte, die er aber auch nicht einfach ignorieren konnte.
Andererseits ging vielleicht auch nur seine blühende Fantasie mit ihm durch. Es war nicht richtig, sich von Davie abzuwenden, nur weil sein Verstand nach Mitternacht noch nicht zur Ruhe kommen wollte.
Es musste doch nach Mitternacht sein, oder?
Er tastete auf der umgestülpten Obstkiste, die als Nachttisch diente, nach seiner Armbanduhr, dann hielt er sie in den schmalen Streifen Mondlicht, der durch das Fenster ins Schlafzimmer fiel. Beim Blick auf den goldenen Cowboy auf dem Zifferblatt, der auf einem Pferd saß und einen Arm in die Höhe reckte, während er alles daran setzte, sich die entscheidenden Sekunden auf dem Tier zu halten, begannen Tylers Augen zu brennen.
Shawna.
Sie war so stolz gewesen, als sie ihm die Uhr schenkte, um ihm zu seinem ersten
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