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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nun lassen Sie das Täubchen nicht wieder fliegen, Herrchen … halten Sie es ganz fest, wenn's sein muß mit einem Ringchen und einem Kettchen …«
    Als sich Dunja beim Gehen umwandte und ihnen zuwinkte, als er ihr strahlendes Lachen sah, wurde ihm das Atmen schwer. Ich werde es sofort an Väterchen schreiben, sagte er sich. Ich werde ihn bitten, an den Amur zu kommen. Er soll sie sehen und mir recht geben, wenn ich sage: Nur dieses eine Mädchen auf der ganzen Welt kann mich glücklich machen.
    Das Wägelchen mit dem müden Pferd brachte sie unendlich langsam nach Issakowa. Nur eine Werst war es weit, genau um die Landecke herum, dann sah man schon die Strohdächer, das Parteihaus mit der roten Fahne, den Silo, den verrosteten, öden Kran am Ufer und den langen Gemeindestall, auf dessen Blechdach ein Witzbold den Namen Issakowa gemalt hatte, damit man auch aus der Luft wußte, wo man sich befand.
    Kurz vor Issakowa hielt Dunja das Wägelchen an. Mit einer weiten Armbewegung umfaßte sie das Land – den Amur mit seinen goldenen Wassern, den von Wolkenstreifen verzierten blaßblauen Himmel voller Unendlichkeit, das eng zusammengebaute, in eine Mulde geduckte Dorf, den sandigen Strand, die Uferweiden und Äcker und im Hintergrund die blaugrüne, wogende Wand des Waldes.
    »Hier bin ich geboren«, sagte sie stolz.

N EUNTES K APITEL
    Dimitri Ferapontowitsch Sadowjew war durchaus nicht glücklich, daß seine Tochter einen fremden Mann ins Haus brachte und neben ihm auch noch ein Wesen, das man eigentlich mit einer Schaufel hätte erschlagen müssen. Anna Sadowjewa, das sonst unerschrockene, ja mutige Mütterchen, vor dem jeder in Issakowa die Mütze zog und allem Streit aus dem Weg ging, ließ am Herd die Pfanne fallen, bedeckte ihr Gesicht mit der Schürze und lief hinaus. Marko verzog sein Gesicht zu einem verlegenen Grinsen.
    »Ich kann nichts dafür, Genosse«, sagte er zu Sadowjew, der darüber grübelte, wie so etwas ein Mensch sein konnte und sogar verständliche Töne von sich gab.
    Später stand er allein im Schlafzimmer vor dem Spiegel und betrachtete sich zufrieden. »Du bist häßlich, Dimitri Ferapontowitsch«, sagte er zu sich und freute sich, »aber gegen Marko Godunow bist du das wahre Ebenbild des Herrn.«
    Nachdem man gemeinsam gegessen hatte, eine Kascha aus Maisbrei und Früchten, der zur Krönung gebackener Fisch mit viel Speck und Zwiebeln folgte und ein Gläschen selbst gekelterten Birkenweins, auf den Anna, das Mütterchen, besonders stolz war, erzählte Igor seine Geschichte.
    »Das ist kein Problem«, sagte Sadowjew und goß allen noch einmal von Annas Birkenwein ein. »Ich bringe Sie morgen nach Blagowjeschtschensk. Etwas über dreißig Werst sind es, für zwei muntere Pferdchen eine gute Strecke. Nur heute ist es zu spät, das müssen Sie einsehen.« Er lehnte sich zurück und steckte die Hände in die Taschen seiner alten, geflickten Reithose. »Ein Doktor sind Sie. Wie meine Dunjuscha. Zuerst ist keiner da im Umkreis von 100 Werst, und dann sitzen gleich zwei bei mir am Tisch. Mütterchen, hol das frische Brot aus der Kammer. Mögen Sie Honig, Genosse Arzt? Ich habe ihn voriges Jahr selbst geschleudert.«
    Igor nickte abwesend. Er sah Dunja zu. Sie stand neben dem Herd und wusch das Geschirr ab, in einem großen hölzernen Trog, aus dem das heiße Wasser dampfte. Sie war keine Ärztin mehr in diesen Minuten, sondern nichts weiter als ein Töchterchen vom großen Strom Amur, ein Bauernmädchen aus Issakowa, aufgewachsen im heißen Steppenwind, der von Chinas rotgelben Weiten herüberwehte über den breiten Fluß, und stark geworden im eisigen Sturm, der aus der schneeerstarrten Taiga in den Dächern und um die Fensterläden von Issakowa heulte.
    Ich liebe sie, dachte Igor Antonowitsch. Welch eine Zukunft haben wir vor uns. Sie eine Ärztin, ich ein Arzt … das bedeutet, daß wir ganz Rußland erobern können.
    Sadowjew beobachtete ihn und verstand die Blicke, die Igor auf Dunja warf. Sein väterliches Herz wurde schwer, er seufzte und blickte trübsinnig in sein Glas. Es erging ihm so wie allen Vätern, die eine schöne, erwachsene Tochter haben, sich an ihr erfreuen wollen, und dann kommt plötzlich so ein fremder Mensch daher, scharwenzelt um das Töchterchen herum, verdreht ihr auf rätselhafte Weise den Kopf und nimmt sie einfach mit. Welcher Vater kann das schon verstehen?
    »Ich zeige Ihnen das Dorf, Genosse Arzt«, sagte Sadowjew deshalb und sprang abrupt auf. »Kommen Sie.«
    Drei

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