Heißer Sommer auf Skiapolis
Schatten der Felsen blieb, konnte sie sich einbilden, zu Hause in England zu sein. In ihren frühen Kinderjahren waren sie jeden Sommer zwei Wochen nach Bournemouth gereist. Sophie war noch sehr klein gewesen, und sie hatten Stunden damit verbracht, Sandburgen zu bauen und sie mit einem Wassergraben zu umgeben.
Damals lebte ihre Mutter noch, und ihr Vater war nicht so versessen darauf, "Tennants" zu einer Weltfirma zu machen. Er konnte sein Leben noch genießen _ sie alle konnten das. Nach dem Tod seiner Frau lebte Parker Tennant nur noch für die Firma, und seine Geschäftsmethoden wurden immer fragwürdiger und skrupelloser.
In den ersten beiden Jahren stand Paige ihm freudig zur Seite, denn die Arbeit lenkte sie vom Verlust ihrer Mutter ab. Sie tat, worum ihr Vater sie bat. Sie ging sogar mit seinen Geschäftsfreunden aus, wenn er sich einen finanziellen Vorteil davon versprach.
So lernte sie auch Nikolas Petronides kennen _ damals in Monte Carlo, wo ihr Vater an einem internationalen Finanzkongress teilnahm. Der griechische Reeder war eine Herausforderung für ihn, der er nicht widerstehen konnte. Er versuchte ihm Anteile an einer Schifffahrtslinie zu verkaufen, die kurz vor dem Bankrott stand. Er hatte diese Anteile mit Klientengeldern erworben und musste sie unbedingt wieder loswerden. Paige redete er ein, er wolle die Schifffahrtslinie sanieren, und sie hatte ihm geglaubt.
Immer hatte sie ihm geglaubt.
Paige lächelte reumütig vor sich hin. Heute wusste sie, dass alles nur Lüge gewesen war.
Schon bevor Nikolas ihr vorgeworfen hatte, sie unterstütze das falsche Spiel ihres Vaters, waren ihr die Augen aufgegangen. In den Jahren danach wurde es noch schlimmer. Kein Versprechen, das Parker Tennant gab, konnte eingelöst werden. Wenn er einen finanziellen Coup voraussagte, war der Verlust vorprogrammiert, und bei seinem Tod besaß er nichts als Schulden. Es hatte Paige viel Zeit und Kraft gekostet, für Sophie und sich das Nötigste aus dem Schiffbruch zu retten.
Das hatte Sophie so bitter gemacht, und darum konnte Paige ihr nicht wirklich böse sein, wenn sie ungeduldig wurde oder über die Stränge schlug. Sie folgte nur dem Vorbild ihres Vaters. Fehler zu machen war das Schicksal der Tennants. Paige selbst konnte ein Lied davon singen.
Nur in einem Punkt fühlte sie sich schuldlos: Nach der Affäre mit Nikolas hatte sie sich nie wieder an den Geschäften ihres Vaters beteiligt. Sie war zu tief verletzt gewesen und hatte sich geschworen, ihr Herz nicht mehr in die Waagschale zu werfen.
So lernte sie Martin Price kennen. Sie verliebte sich nicht Hals über Kopf in ihn, sondern ihr Verhältnis beruhte auf gegenseitiger Sympathie. Niemals hätte sie geglaubt, dass Martin etwas im Schilde führte. Sie war so glücklich, jemanden zu kennen, der nichts mit ihrem Vater zu tun hatte, dass sie alles für bare Münze nahm und die Wahrheit erst erkannte, als auch ihre übrige Welt zusammenbrach. Auf seine Weise war Martin nicht weniger ehrgeizig gewesen als ihr Vater und genauso skrupellos, wenn etwas nicht nach seinem Willen ging.
Paige seufzte. Das alles war jetzt Vergangenheit, und seit dem Wiedersehen mit Nikolas wusste sie, wie banal ihre Beziehung zu Martin gewesen war. Mit Nikolas hatten sie ganz andere, viel tiefere Gefühle verbunden ...
Die trüben Erinnerungen und der Schatten der Klippen ließen Paige frösteln. Sie sehnte sich wieder nach der wärmenden Sonne und ging auf die Anlegebrücke zu, die etwas entfernt ins Meer hinausragte. Mehrere Stufen führten zu ihr hinauf, und von oben war das Wasser so klar, dass Paige jeden einzelnen Fisch erkennen konnte.
Als sie sich zufällig umdrehte, sah sie Nikolas den Strand entlangkommen. Entweder hatte Kiría Papandreou ihre Botschaft ausgerichtet, oder er ahnte, wo er sie finden würde. Erst als er näher kam, erkannte sie den Schnorchel und die Taucherbrille, die er in der rechten Hand hielt.
"Guten Morgen", begrüßte er sie, als er die Brücke erreicht hatte. "Ich dachte, dass ich dich hier finden würde."
Paige rang sich ein Lächeln ab. "Dann hast du meine Nachricht erhalten?" Der warme Ausdruck seiner dunklen Augen irritierte sie so, dass sie den Kopf senkte. Warum musste er auch so an den Strand kommen? Mit dem offenen grünen Hemd und den schwarzen Shorts erinnerte er sie viel zu lebhaft an die Zeit, die sie vergessen wollte.
"Kiría Papandreou hat mit mir gesprochen", bestätigte er. "Ich sah dich eben die Fische beobachten. Interessierst
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