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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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erschienen, was aufgrund
    seiner Liebe zum Whiskey ab und zu vorkam. So holte
    ich etwas Schlaf nach, und meine Nerven kehrten
    wieder in ihre angestammten Bahnen zurück.
    Früh am nächsten Morgen wählte ich Joes Nummer.
    Ich mußte unbedingt mit ihm über die Einbrecher
    sprechen. Selbst wenn er keinen Kriminellen namens
    Tully kannte, konnte er im Archiv nachsehen, und ich
    ging jede Wette ein, daß Tully ein Vorstrafenregister
    hatte. Für eine Flasche guten Schnaps würde Joe sich
    durch jede vorhandene Akte wühlen, bis er den Typ
    gefunden hatte – oder zumindest jemanden, der mir
    mehr erzählen konnte.
    Am späteren Vormittag entschloß ich mich, zu Joes
    Wohnung zu fahren, um nachzuschauen, ob er vielleicht
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    nur nicht ans Telefon ging. Mir fiel auch allmählich die
    Decke auf den Kopf. Ich war erst einmal bei Joe
    gewesen, vor sechs Jahren, und wußte seine Adresse
    nicht auswendig. Mein Adreßbuch war weiterhin nicht
    aufzutreiben, also sah ich im Telefonbuch nach, packte
    Anice ein und ging.
    Die Temperatur war auf etwa 17 Grad angestiegen.
    Es würde wohl nicht mehr viele kalte Tage in diesem
    Jahr geben. Der Verkehr in der Stadt war nahezu
    undurchdringlich, und wir schlängelten uns durch das
    Lagerhausviertel im Osten, um zur Canal Street zu
    gelangen. Diese Gegend war überwiegend mexikanisch,
    aber als ich nach Süden abbog, erreichte ich das
    Arbeiterviertel, in dem Joe lebte. Ich parkte vor seinem
    Haus und sah seinen verbeulten Chevrolet, der ein paar
    Dellen mehr hatte als bei unserer letzten Begegnung.
    Im Hof gegenüber war ein alter Mann damit
    beschäftigt, ein Paar alte Kutschenräder weiß
    anzustreichen. Er hatte sie so tief in die Erde
    eingegraben, daß nur noch die obere Hälfte herausragte.
    Ich fragte mich, warum er für diese Arbeit nicht auf
    wärmeres Wetter gewartet hatte. Er beäugte mich
    mißtrauisch, als ich auf Joes Tür zuging. Ein paar dünne
    Vorhangfetzen bedeckten die Fenster, die oben in Joes
    Tür eingelassen waren, und verhinderten, daß ich ins
    Wohnzimmer schauen konnte.
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    Ich ruinierte mir die Schuhe und ging durch den mit
    spärlichen Grashalmen bewachsenen Schlamm zu Joes
    Hintertür. Er hätte mindestens eine Wagenladung Erde
    herankarren müssen, um die Unebenheiten im Boden
    auszugleichen und einen Rasen anzulegen, aber
    Gartenarbeit war nicht Joes Sache. Die gelbe Farbe
    blätterte hier und da von der Holzverkleidung des
    Hauses ab, aber Anstreichen gehörte ebenfalls nicht zu
    Joes Hauptinteressen. Daß er auch nicht allzuviel von
    Haushaltsführung hielt, war mir bereits bekannt, und
    ich war darauf eingestellt. Ich hämmerte an die
    Hintertür, ohne daß das irgendeine Reaktion ausgelöst
    hätte. So kehrte ich um und ging zu dem alten Mann
    hinüber, der zusah, wie ich näherkam.
    »Ziemlich frisch, um hier draußen die Kelle zu
    schwingen, was?« fragte ich in gewolltem
    Arbeiterjargon, gewürzt mit einem Hauch ländlicher
    Aussprache.
    Sein Overall und sein kariertes Flannellhemd sahen
    aus, als hätten Ratten daran genagt. Sein Gesicht hatte
    den Charme eines Staubsturms in der Steppe von
    Kansas. Ich wäre jede Wette eingegangen, daß er nicht
    eine Miene verzogen hatte, seit Woodrow Wilson im
    weißen Haus saß. Sein Blick bedachte mich ungefähr
    eine Minute lang mit Mißbilligung und Argwohn. »Sie
    sehn aus wie diese Marlene Dietrich. Komm‹ Sie von
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    Hollywood?« fragte er. Sein Ton verriet die Erwartung,
    daß ich jeden Moment in Flammen aufgehen und ewige
    Verdammnis in den Feuerschlünden der Hölle fristen
    würde.
    Ja, und da drüben im Auto sitzt Rin Tin Tin als
    Zwergschnauzer verkleidet, dachte ich verdrossen. Ich
    fühlte mich nicht geschmeichelt. Ich hatte keine
    Ähnlichkeit mit Marlene Dietrich. Mir war klar, daß der
    alte Esel meine Hosen und meine festen Halbschuhe
    meinte, aber die hatte ich schon getragen, als Miss
    Dietrich noch keine Zehe auf amerikanischen Boden
    gesetzt hatte. Natürlich nicht dasselbe Paar Schuhe und
    nicht dieselbe Hose, aber den gleichen Aufzug. Ich trug
    nun mal nichts anderes, und so mancher alte Kauz hatte
    Probleme damit. Aber ich zog das Zeug nicht an, um
    diese Typen zu erfreuen, und auch nicht, um sie zu
    ärgern. Ich trug die Kleidung, die mir selbst gefiel, und
    nichts anderes zählte.
    Ich zauberte irgend etwas in mein Gesicht, hoffte,
    daß es Ähnlichkeit mit einem Lächeln hatte, und
    versicherte ihm, daß ich in Houston geboren und
    aufgewachsen sei. Als nächstes machte ich

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