Heißer Winter in Texas
servierte mir Kaffee. Während wir
warteten, machte sie einiges Aufhebens um mich und
brachte mir sogar ein Stück frischen Kirschkuchen, den
sie am Morgen gebacken hatte. Da übergab ich mich auf
ihr Sofa. Es war nicht gerade die liebenswerteste Art,
mich für ihre Gastfreundschaft erkenntlich zu zeigen,
das war mir völlig klar – nur konnte ich in jenem
Augenblick wenig dagegen unternehmen.
Den Rest des Tages verbrachte ich mehr oder
weniger damit, die Fragen der Polizei zu beantworten.
Ich fuhr mit ihnen aufs Revier und unterschrieb meine
Aussage. Ich hatte die Telefonnummer von Joes Sohn
herausgefunden. Er lebte in Hollywood und kellnerte
im Trocadero – in der Hoffnung, von einem berühmten
Produzenten entdeckt zu werden, der einen zweiten
Clark Gable aus ihm machen würde. Wieder zu Hause,
wählte ich seine Nummer und war erleichtert, als
niemand abnahm.
Ich ging in die Küche, um mir einen Drink zu holen
und Anice einen Ingwerkeks. Bisher war das nicht
gerade meine Woche gewesen. Meinen Job war ich los,
in meine Wohnung war eingebrochen worden, ich hatte
einen Freund ermordet aufgefunden, und mein
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Adreßbuch blieb weiterhin unauffindbar, was
verdammt unpassend war, denn ich mußte Tony
Mahans Nummer eintragen. Ich saß lange auf meiner
Couch und starrte in das künstliche Feuer meines
Pseudokamins. Anice schmiegte sich an mich, legte eine
Pfote auf mein Bein und starrte mit.
Schließlich stand ich wieder auf, ging ins
Schlafzimmer und schaute unters Bett, auf der Jagd
nach meinem verbummelten Adreßbuch. Ich
durchkämmte alle Zimmer, gab schließlich auf und
mixte mir einen weiteren Drink. Mir war bewußt, daß
ich mich nur mit dem Adreßbuch aufhielt, um nicht an
Joe denken zu müssen.
Es nahm mich so in Anspruch, die Bilder von Joes
zerschossenem Kopf aus meinen Gedanken zu
verbannen, daß ich die Schritte auf der Veranda
überhörte. Als es klopfte, sprang ich fast an die Decke.
Ich umklammerte meine Pistole, die ich beim Suchen
ständig mitgeschleppt hatte, öffnete die Wohnungstür
und zielte direkt auf Gaels Nase.
»Um Himmels willen! Was in drei Teufels Namen
treibst du da?« fragte sie und starrte mich mit riesigen
Augen an. Ich senkte die Waffe und trat einen Schritt
zurück. Gael war so groß wie ich, hatte schulterlanges,
welliges braunes Haar und ein energisches, eckiges
Kinn. Ihr Gang glich dem einer Katze auf der Jagd. Sie
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hielt die Schultern gerade, und jede ihrer Bewegungen
war effizient und beherrscht. Katherine war größer und
blond, sah sehr welterfahren aus und zog sich höchst
elegant an. Gael dachte über Kleidung eher wie ich – ich
hatte sie noch nie in etwas anderem als langen Hosen
gesehen.
Ich legte den Revolver auf den Kaffeetisch und bot
den beiden einen Drink an – unter der Bedingung, daß
sie sich selbst bedienten. Schließlich ließen wir uns alle
im Wohnzimmer nieder.
Gael war Eigentümerin einer Baufirma. Ihr Gesicht
war wettergegerbt, weil sie die meiste Zeit auf
Baustellen zubrachte, damit beschäftigt, eine Truppe
von herumlümmelnden Zimmerleuten und Malern
zusammenzuhalten, die sich vor ihr zu Tode fürchteten.
Ihr üblicher Gesichtsausdruck war so bedrohlich wie
eine Klapperschlange, aber ihr Lächeln traf ahnungslose
Frauen, die sie erobern wollte, wie ein Keulenschlag. Sie
gehörte zu den Leuten, die alles wissen und darauf
bestehen, dieses Wissen mit anderen zu teilen, hatte ein
unglaubliches Gedächtnis, las gern über alle möglichen
Themen und konnte das dann fast wörtlich zitieren.
Katherine wiederum war herzlicher, impulsiver,
lachte laut und brüllte viel, je nach Anlaß. Sie war von
Kopf bis Fuß der Prototyp der großen, gutaussehenden
Texanerin.
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Gael machte sich sofort auf meiner schwarzen Leder-
und-Chrom-Chaiselongue breit, ihrem Stammplatz bei
mir. Sorgsam arrangierte sie ihre Zigaretten auf dem
Beistelltischchen, zog sich den verchromten Ascher
heran, stellte ihren Drink genau an die günstigste Stelle,
zündete sich eine Zigarette an und betrachtete mich mit
zusammengekniffenen Augen durch die Rauchwolke
hindurch.
Katherine setzte sich aufs Sofa, was ihr Gelegenheit
bot, mir einen kräftigen Klaps zu versetzen, wann
immer ich etwas Belustigendes sagte. Sie fragte mich
ungefähr zum tausendsten Mal, wann ich mir endlich
eine Freundin suchte, und ich erwiderte zum
tausendsten Mal, sobald ich ihre Doppelgängerin fände.
Sie lächelte und gab mir
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