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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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ihm weis,
    daß ich ursprünglich aus dieser Gegend stammte und
    daher auch Joe kannte. Ich grinste ihn an, als hätten wir
    etwas gemeinsam, und er taute ein bißchen auf. Ein
    alter brauner Jagdhund kam gesetzten Schrittes hinter
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    dem Haus hervor, bellte mich an, als hätte er gerade
    einen Waschbären auf einen Baum gehetzt, dann
    trottete er zu mir herüber, um sich hinter dem Ohr
    kraulen zu lassen, was ich auch tat. Ich hörte Anices
    wütendes Gebell aus dem Auto.
    Der alte Mann sah mich interessiert an. »Jack mag
    solche Leute eigentlich nicht«, sagte er, und wenn auch
    Gesichtsausdruck und Tonfall unverändert blieben,
    wußte ich, daß er beeindruckt war.
    »Sie ham‹ Joe wohl nich‹ gesehen, nich‹ wah‹?«
    fragte ich und überlegte, ob ich es mit dem Akzent wohl
    etwas übertrieb.
    »Nä, hab‹ch nich‹. Schon zwei Tage nich‹. Gestan
    hab‹ch ›n so morgens um dreie rum vonner Arbeit
    komm‹ hör‹n. Dann hab‹ch gedacht, ›ch hör‹n gleich
    wieda geh‹n, aber da hab‹ch mich wohl verhört. Wissen
    Se, ›ch hab gedacht, dasser Brötchen backen geht,
    solang der Ofen noch heiß is‹, wenn Se wissen, was ›ch
    mein«, sagte der Alte, ohne eine Miene zu verziehen.
    Ich verstand sehr gut, was er meinte. Oh, verdammt,
    wenn es schon die ganze Nachbarschaft wußte, schien
    Joe wohl wirklich über nichts anderes zu reden.
    »Ich glaub‹, ich schau‹ noch mal rüber. Vielleicht hat
    er die Tür nich‹ abgesperrt. Dann kann ich ihm ja ›ne
    Nachricht hinterlassen.« Sprach‹s und wünschte ihm
    einen schönen Tag. Ich überquerte abermals die Straße,
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    wobei ich Anice zuwinkte, die sich auf die Hinterbeine
    gestellt hatte und mir aus dem Autofenster nachspähte.
    Es würde wohl eine Weile dauern, bis sie mir verzieh,
    daß ich diesen Hund gekrault hatte.
    Die Tür war unverschlossen. Das Haus gähnte
    förmlich vor Menschenleere, aber ich rief trotzdem Joes
    Namen.
    Es
    war
    alles
    noch
    erheblich
    heruntergekommener, als ich es in Erinnerung gehabt
    hatte. Eigentlich war es ein Schweinestall. Dem Geruch
    nach zu urteilen, hatte er seinen Müll seit Wochen nicht
    rausgetragen. Ich bewegte mich Richtung Küche, um
    eine Serviette zu suchen, auf die ich eine Nachricht
    schreiben konnte.
    Da sah ich ihn. Oder vielmehr, ich sah die Sohlen
    seiner Schuhe, unbequem verbogen und nach unten
    gerichtet, als ob er hinter dem Stuhl kauerte, um sich
    vor mir zu verstecken. Ich machte einen Schritt auf ihn
    zu, damit ich ihn sehen konnte, obwohl ich das
    eigentlich nicht mehr wollte. Mein Magen hatte sich
    bereits zu einem Knoten zusammengezogen, der sich
    durch meinen Hals einen Weg nach draußen bahnen
    wollte wie ein Knäuel von verschreckten Fledermäusen,
    die aus ihrer Höhle drängen. Er kniete neben dem
    verdreckten Polstersessel. Blut, Knochen und Hirn
    waren an Wand, Boden und Sessel gespritzt. Es sah aus,
    als hätte ihm jemand befohlen, sich auf den Kopf zu
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    stellen, und ihn dann von hinten erschossen, so daß er
    ein wenig nach links gesunken war, in die Ecke
    geklemmt zwischen Wand und Stuhl.
    Ich atmete in keuchenden Stößen, meine Nerven
    flatterten wie eine Schar aufgescheuchter Enten. Mir
    standen die Nackenhaare zu Berge. Lieber schmorte ich
    in der Hölle, als daß ich ruhig hinüberging und wie die
    Filmhelden seinen Hals berührte, um zu prüfen, ob noch
    Puls zu spüren sei. Dieser Mann war tot und das nicht
    erst seit eben, das konnte sogar eine Blindschleiche
    sehen. Langsam ging ich rückwärts aus dem Haus, die
    Augen fest auf die Leiche gerichtet, damit sie nicht
    plötzlich aufspringen und mit ihrem zerfetzten Schädel
    auf mich losgehen konnte. Es kostete mich furchtbare
    Anstrengung, nicht panisch aus dem Haus zu rennen,
    laut brüllend und womöglich unwiderruflich
    überschnappend. Mein Beruf brachte es mit sich, daß
    ich Leichen sah, aber ich hatte noch nie vor der Leiche
    eines Freundes gestanden.
    Der Alte sah mich zurückkommen. »Sie seh‹n nich
    besonders aus«, bemerkte er. Ich nahm es zuerst als
    schlechten Scherz über meine Kleidung, bis mir aufging,
    daß ich wahrscheinlich starrte wie eine Untote aus dem
    neuesten Boris Karloff-Streifen. »Wir müssen die Polizei
    rufen«, meine Stimme klang hohl in meinen Ohren. »Joe
    liegt tot da drin. Kopfschuß.«
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    Wahrscheinlich war der Alte schockiert, aber seiner
    stoischen Fassade war das nicht anzusehen. Wir gingen
    in sein Haus, und er rief die Schergen. Seine Frau kam
    aus der Küche und

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