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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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selten, aber gelegentlich
    täusche ich mich.
    Ich sprang in meinen Ford und startete Richtung
    Polizeipräsidium. In der Stadtmitte wechselte ich auf
    die Schleichspur und beobachtete die Menschen, die die
    Gehsteige entlanghetzten. Ich mochte den Trubel, der
    hier herrschte. Die meisten Männer hatten ihre Mäntel
    ausgezogen und machten ihren Gang durch die Straßen
    in Hemd und Hosenträgern – Hosen trugen sie
    natürlich auch noch. Die Frauen hatten heute alle etwas
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    Erhabenes an sich, sie eilten dahin, ihre Taschen unter
    den Arm geklemmt. Die durchschnittliche Kleiderlänge
    reichte bis zur halben Wade, und kleine Baskenmützen
    schienen diesen Winter der Renner zu sein.
    Neonschriftzeichen glitzerten und lockten: ›Trink Coca
    Cola an der Bar im Lamar‹ und ›Der schönste Abend
    Ihres Lebens – besuchen Sie Altmexiko im Spanischen
    Restaurant des Lamar Hotels‹. Die Anzeigentafel über
    dem Loews State verkündete, daß sie Ein Gespenst auf
    Reisen mit Robert Donat in der Hauptrolle zeigten –
    fünf Cent für die Vorstellung am Vormittag und
    fünfzehn Cent für abends. Im Metropolitan lief Höhe
    Null.
    Der Witz an Houston ist, daß es auf den ersten Blick
    so wunderbar sauber und intakt aussieht. Es scheint nur
    aus Bürogebäuden, Hotels, Kleiderläden, Kaffees, Kinos
    und Kaufhäusern zu bestehen. Diese Fassade täuscht.
    Wer sich auskennt, weiß, wo es Alkohol und Drogen,
    Huren und Glücksspiel gibt. Nur fünfzig Meilen weiter
    südlich liegt Galveston. Da sind derlei Örtlichkeiten
    nicht
    zu verfehlen
    –
    Bordelle, Spielhallen,
    Ladenpassagen, Schießbuden und Striplokale. Alles,
    was das Herz begehrt, findet sich hier unter Gottes
    freiem Himmel und ist für jede und jeden sichtbar. Die
    Leute sind sogar stolz drauf. In Houston haben die
    baptistischen Heuchler das Sagen – alles ist da, und alle
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    hängen mit drin, aber alle geben vor, daß da gar nichts
    ist und niemand damit zu tun hat. Ich stellte fest, daß
    ich genug Zeit verschwendet hatte, wechselte auf die
    Überholspur und schwirrte ab zum Präsidium, das an
    der Preston Street Ecke Caroline Street lag.
    Es war ein fünfstöckiges Gebäude aus dunkelroten
    Ziegeln. Um die Tür herum verlief eine Blende aus
    Zement mit barocken Verzierungen. Als ich vom
    Parkplatz aus die Straße überquerte, röhrten zwei
    Motorradstreifen auf ihren Harleys an mir vorbei. Ihre
    Oberkörper sahen in den engen Mänteln aus wie
    umgedrehte Pyramiden. Ihre Reithosen waren sorgfältig
    in die blitzblanken schwarzen Stiefel gesteckt, ihre
    Gesichter ausdruckslos. Sie sahen aus wie zwei
    Wagenheber in Uniform. Ich winkte ihnen zu, aus
    Freundlichkeit und auch, weil sie mir höllische Angst
    einjagten. Sie nickten gleichzeitig wie zwei Marionetten.
    Wenn ich je einen Grund brauchte, keine Kriminelle zu
    werden, dann war er gerade an mir vorbeigefahren.
    Das Haus roch nach Desinfektionsmittel, altem Holz
    und Tabak. Ich ging durch die Eingangshalle, immer
    drauf bedacht, den Strömen von Tabaksaft und
    Schnupftabak auszuweichen, die pi mal Daumen auf die
    großen Messingspucknäpfe gezielt waren, die in
    strategisch günstigen Intervallen überall im Haus
    standen.
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    Ich traf auf einen Polizisten, der in meiner Gegend
    eine Zeitlang auf Streife gegangen war. Sein Gesicht
    wurde durch ein großes Stück Kautabak in der rechten
    Backentasche entstellt. Er schenkte mir ein breites
    Grinsen, und ein Faden braunen Speichels rollte sein
    Kinn hinunter. Er wischte ihn mit dem Handrücken
    weg.
    »Hallo, Miss Carpenter. Was macht das Leben?«
    »Hallo, Tom. Ich hab‹ gedacht, dich hätten sie
    inzwischen gefeuert.«
    »Haben sie auch. Letzte Woche. Ich bezahle sie jetzt
    dafür, daß ich hier arbeite. Ich mußte mir zusätzlich
    einen Nachtschichtjob besorgen, damit ich‹s mir leisten
    kann. Hahaha!« Er spie in einen Napf und lachte noch
    eine Weile weiter.
    »Ich seh‹ schon, sie halten dich auf Trab!« meinte ich,
    nachdem ich herzlich mitgegrölt hatte. Auch bei einem
    freundlichen Polizisten gilt: lache immer über seine
    Witze.
    »Oh, ja.« Er wies mit dem Kopf auf Gruppen von
    Leuten, die in der Halle herumstanden. »Jedes Jahr
    dasselbe. Die Tagung der baptistischen Kirche. Hol
    diese verdorrten kleinen alten Männer aus diesen
    verdorrten kleinen alten Mistkäffern, und sie drehen
    völlig durch. Du glaubst gar nicht, wie viele Christen
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    ihren Glauben ganz schnell vergessen, sowie sie in der
    Stadt der Sünde weilen.«
    »Du wärst

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