Heißer Winter in Texas
Fahrer
noch Nummernschild erkennen konnte. Ich fuhr wieder
aus dem Parkplatz raus, nahm die nächste Abbiegung,
die stadtauswärts führte, und machte mich auf den Weg
zurück nach Montrose.
Verfolgt zu werden hatte mir gerade noch gefehlt. Es
war Zeit für das Hilfsaufgebot. Ich fuhr direkt zu Gael
und Katherine. An diesem Morgen war genug passiert,
ich fühlte mich, als wäre ich seit jenem Tag auf den
Beinen, an dem die Maschine erfunden wurde, die die
Baumwollfäden von den Samen trennt. Es war erst zehn
Uhr morgens. Ich hielt hinter Katherines weißem
Cadillac-Cabriolet.
Gael hatte das Büro ihrer Baufirma bei sich im Haus,
und Katherine war freischaffende Künstlerin, daher
hatte ich gute Chancen, zumindest eine von beiden
anzutreffen. Als ich die Stufen zum Eingang des grauen
Backsteinbungalows hinaufstieg, stellte ich fest, daß
Katherine sich durchgesetzt hatte und die Zierleisten
und Rahmen grün und burgunderrot gestrichen waren.
Die Fenster hatten neue, farblich passende
Sonnenblenden. Es sah sauber und nach Maßarbeit aus.
Ich lehnte mich genüßlich auf den Klingelknopf und
wartete.
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Ich vernahm ein gedämpftes »Den Schweinehund
mach‹ ich kalt« und dann »Komm‹ ja schon, komm‹ ja
schon.« Gael riß die Tür auf, eine volle Kaffeetasse in
der Hand und sichtlich bereit, sie dem Missetäter ins
Gesicht zu kippen. Bei meinem Anblick senkten sich
ihre Augenbrauen wieder auf Normalhöhe und trafen
sich über der Nase.
»Ach, du bist‹s«, brummte sie leiser, runzelte die
Stirn und winkte mich ins Haus.
»Noch Kaffee da?«
»Du weißt, wo. Hol dir welchen«, knurrte sie und
schlurfte verschlafen zur Couch hinüber.
Ich nahm mir in der Küche eine Tasse Kaffee und
gesellte mich zu ihr ins Wohnzimmer.
»Die Couch neu?«
»Neu bezogen.«
»Aha. Wo ist Katharine?«
»Macht Gymnastik im Schlafzimmer. Jinx ist bei ihr«,
sagte Gael, schlürfte Kaffee und rauchte. Jinx war ihr
Hund.
»Vielleicht sollte ich rübergehen und zuschauen«,
sagte ich unschuldig.
»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun, sie hat
keinen Faden am Leib.«
»Was meinst du wohl, warum ich zusehen will?«
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Sie begann allmählich aufzuwachen und grinste.
»Was bringt dich so früh auf die Beine? Ich dachte, du
schläfst bis mittags, seit du nicht mehr zur Arbeit mußt.
Verdammt, nutz doch die Chance, solange du sie hast.«
»Ich habe Orte aufzusuchen, Dinge zu tun und mit
Leuten zu reden«, sagte ich lässig und schwenkte eine
Hand durch die Luft wie eine Chorleiterin.
»Als da wären?«
Wir hörten Katherines Schritte aufs Wohnzimmer
zusteuern.
»Hollis ist da, zieh dir lieber was über« rief Gael laut,
aber nicht schnell genug. Katherine hatte schon die Tür
geöffnet, mich entdeckt, gequietscht und türknallend
die Flucht ergriffen.
Ich war nicht gut genug erzogen, um wegzusehen,
daher erhaschte ich einen kurzen Blick auf lange
Texanerinnenbeine. Ich wackelte mit den Augenbrauen
und grinste dreckig, um Gael eine Freude zu machen.
Sie schmunzelte und schnippte die Asche ihrer Zigarette
in den Kristallascher auf dem Kaffeetisch.
»Wahrscheinlich ist sie zu schockiert, um wieder
rauszukommen.«
Katherine kam in einem Morgenmantel aus türkisem
Satin hereingerauscht, streckte uns die Zunge heraus
und sagte: »Ich kann einfach nicht glauben, daß ihr mich
hier derart splitternackt hereinplatzen laßt, Leute.« In
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ihrer Südstaatenschönheit-Imitation klang es allerdings
wie »Chkann ahnfoch nich glaaobn, dassar mchhier
darrt splittanockt raainplatzen laast, Lahede.«
»Ich bin doch nicht so dumm und hindere eine
schöne Frau daran, nackt vor meiner Nase
spazierenzugehen, wenn ihr danach ist«, bemerkte ich
und küßte sie auf die Wange, als sie sich
herunterbeugte, um mich zu umarmen. Sie kicherte und
versetzte mir einen liebevollen Klaps, der eine halbe
Stunde in meinen Ohren klingelte.
»Was hast du heute so vor?« fragte sie, während sie
sich neben Gael auf dem Sofa niederließ und ihren
Morgenmantel so arrangierte, daß ich nicht spitzen
konnte. Ehe ich zum Antworten kam, sah sie Gael mit
diesem Blick an, den nur Mitglieder der königlichen
Familie und sehr gutaussehende Frauen beherrschen.
»Schatz, würdest du mir bitte einen Kaffee bringen?«
Gael verdrehte die Augen, und ich lachte, als sie
aufstand. Der Kaffee war Katherine sicher, diesem
königlichen Blick konnte nichts verweigert werden.
Als Gael zurückkam, erzählte
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