Heißer Winter in Texas
an. »Was läuft hier?«
Sie grinste betreten. »Die machen hier doch immer
solche Scherzchen. Reine Gewohnheit.«
»Eigenartig, mir ist das hier noch nie passiert.«
Wir wanderten durch das Foyer in den Raum, wo die
Freier saßen, mit den Mädchen tranken und die Zeit
totschlugen, bis sie nach oben durften. Manche Leute
kamen auch nur vorbei, um etwas zu trinken und mit
den anderen Stammkunden ein Schwätzchen zu halten.
Die meisten Männer waren überzeugt, hier vor
neugierigen Augen sicher zu sein. Susie hielt sie aus
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dem Klatsch heraus. Wenn sie herausbekam, daß eine
ihrer Angestellten tratschte oder sonstwie indiskret war,
wurde diejenige auf der Stelle gefeuert. Ein bulliger
Rausschmeißer namens Bitsy schleifte sie zur
Greyhoundstation und setzte sie in den erstbesten Bus,
der die Stadt verließ.
Die Wände waren eierschalenweiß, ebenso alle
anderen
Einrichtungsgegenstände
von
den
ledergepolsterten Barhockern bis zur ledergepolsterten
Theke. Ein kristallener Lüster hing von der
Deckenmitte. In allen anderen Lichtquellen steckten
rosa Birnen. Diese Anregung hatte Susie aus
Earthmanns Bestattungsinstitut mitgebracht, als sie
damals Legs Greer die letzte Ehre erwies, einem der
berühmtesten zweitklassigen Gangster von Texas. Aus
der Tatsache, daß rosa Glühbirnen Leichen lebendiger
aussehen ließen, folgerte Susie, daß sie bei Huren
Wunder wirken würden. Es schien zu funktionieren, wie
ich bei einem Blick in einen der Spiegel feststellte. Ich
notierte sie auf meinem geistigen Einkaufszettel als
Anschaffung für mein Schlafzimmer. Der Gastraum war
gemütlich und intim, aber um diese Tageszeit leer.
Hinter der Bar polierte ein Barkeeper Gläser und
Flaschen.
Wir gingen den Gang entlang, dessen Wände
ebenfalls in Eierschalenweiß schimmerten und von rosa
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Lämpchen erhellt waren, und klopften an die dritte Tür.
Eine beschwingte Stimme mit irischem Akzent bat uns
herein.
Susie saß an einem Sekretär und erledigte ihre
Buchhaltung. Wir warteten, bis sie einen Vorgang
abgeschlossen hatte. Sie trug eine Bifokalbrille, die sie
hastig absetzte und in einer Schublade verschwinden
ließ.»Ach, Hollis und Gael. Was in aller Welt treibt euch
beide denn schon morgens hierher?« Sie erhob sich von
ihrem Stuhl, ließ sich auf dem grauen, über und über
mit pinkfarbenen Rosen gemusterten Diwan nieder und
winkte uns, vis-a-vis in den kleinen grauen Ohrensesseln
Platz zu nehmen.
Der Raum war blaßgrün gestrichen, strikt
geschäftsmäßig ausgestattet und wies keine persönliche
Note auf – mit Ausnahme eines kleinen Teegeschirrs,
das sie als Kind geschenkt bekommen hatte, auf dem
Beistelltischchen. Wahrscheinlich behielt sie es zum
Gedenken an ihre verlorene Unschuld. Sie hatte mir mal
erzählt, wann immer sie sich kalt, hart und abgestumpft
fühlte, schloß sie sich ein und veranstaltete eine
Teestunde. Dann servierte sie sich selbst Tee und Kekse
wie früher als Kind, bis sie die Fassung verlor und sich
ausweinte, und im Anschluß konnte sie wieder eine
Zeitlang ihren Geschäften nachgehen.
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Susie war schlank und zierlich mit roten Locken und
grünen Augen und besaß ein Lächeln, das koboldhaft
und verführerisch zugleich war. Ihre Züge erinnerten
mich an Renaissancegemälde. Ihre ganze Art war auf
subtile Weise sinnlich, und ich war nie sicher, ob sie mit
mir flirtete oder nicht. Sie sah den Leuten, mit denen sie
sprach, direkt in die Augen und war eine so
aufmerksame Zuhörerin, daß sie ihrem Gegenüber das
Gefühl vermittelte, von größter Bedeutung zu sein. Ich
konnte gut verstehen, daß Männer dafür bezahlten. Sie
war mit einem gutaussehenden Betrüger namens Leslie
Bosarge zusammen, seit sie sechzehn war, der hatte ihr
ein paar Tricks beigebracht sowie die Kunst des
Taschendiebstahls. Bo war ein Streuner und kam und
ging, wie es ihm beliebte, was Susie ganz recht war,
denn sie schätzte ihre Freiheit ebenfalls.
Ihr Kleid hatte die Farbe ihrer Augen. Sie saß mit
angezogenen Beinen auf der Couch, der linke Arm ruhte
lässig auf der Rückenlehne. Egal, wer du warst oder in
wen du gerade verliebt warst – in Susies Nähe verfielen
alle unweigerlich ihrem Zauber.
Ich sah Gael an und hoffte, daß ich nicht genauso
albern dreinschaute wie sie, aber vermutlich tat ich es.
»War Gene gestern da und hat dir diese Leuchte im
Bad installiert? Ich hab‹ ihm gesagt, er soll es gleich
machen«, raspelte Gael
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