Heißer Winter in Texas
daß die Pekannußbäume
Knospen trieben. Bei unserem Tempo würde das
Wasser im Parkteich drei Tage lang rückwärts fließen.
Dann flogen wir den Montrose Boulevard hinauf,
überholten lauter Autos, die sämtlich aussahen, als
hätten sie Wurzeln geschlagen, und kamen mit
quietschenden Bremsen in einer Seitenstraße beim
Wohnhotel Plaza zum Stehen. Es war geradezu eine
Erleuchtung, Gaels Auffassung von sicherer Fahrweise
zu kennen. Wenn ich das nächste Mal am Steuer saß,
wollte ich alles tun, damit sie sich gleich noch einmal so
sicher fühlte wie ich in den vergangenen Minuten.
Wir betraten die kühle, dunkle Hotelhalle. Ich sagte
Gael, es sei besser, wenn ich erstmal allein mit Colette
spräche, damit sie sich nicht gleich von einer Bande
bedrängt fühlte. Gael war einverstanden und machte
sich glücklich auf zur Bar.
Ich ging zum Empfang und zog Erkundigungen ein.
Der Angestellte war ein schmieriger Schleicher mit
einem glänzenden, bleistiftdünnen Schnurrbärtchen. Er
stellte sich taub und blind, bis ich ihm einen Schein
hinschob, da öffnete er seinen Schnabel und begann zu
singen wie ein Kanarienvogel. Sie war unter dem
Namen Colette Chateau in Apartment 403 eingetragen.
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Er hätte mir auch ihre Lieblingsfarbe, ihr Lieblingslied
und ihre BH-Größe genannt, wenn ich die Zeit und das
Geld gehabt hätte.
»Colette Chateau. Heiliger Strohsack«, knurrte ich
vor mich hin, während ich mit dem Aufzug in den
vierten Stock fuhr und an ihre Tür klopfte. Drinnen
ertönte laut Benny Goodman aus dem Radio. Eine hohe,
blecherne Stimme quäkte: »Rein mit dir, Zuckerbärchen,
es ist offen.« Zuckerbärchen ging also rein, weil offen
war. So wie ich die Sache sah, konnte ich genausogut
Zuckerbärchen sein wie jeder andere.
Colette sah die Sache offenbar nicht ganz so wie ich.
Sie stand mitten im Raum in Positur, angetan mit einem
Korsett, schwarzen Netzstrümpfen und hohen
Absätzen. Sie war etwa fünfundzwanzig, und ihr
Gesicht war so frisch wie der übriggebliebene Salat von
der Diät, die ich Silvester begonnen und Neujahr
beendet hatte. Als sie ihre Haare bleichte, hatte sie
offenbar Mondscheinsilber im Sinn gehabt, aber es hatte
nur für Stallstreugelb gereicht. Eigentlich hätte sie sich
Stroh
aufs
Haupt
stecken
und
das
Wasserstoffsuperoxyd
sparen
können.
Ihre
Augenbrauen hatte sie ausgezupft und neu aufgemalt
wie Jean Harlow, aber mit der Methode endete die
Ähnlichkeit auch schon. »Wer sind Sie?« fragte sie mit
einer Stimme, gegen die jede Marktfrau wie Dorothy
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Lamour beim Singen eines Wiegenlieds geklungen
hätte. Sie schnappte sich den rotglänzenden Kimono
vom Stuhl neben sich und warf ihn über.
»Ich bin Hollis Carpenter, Miss Chateau.« Ich gab mir
Mühe, beim Nennen des Namens nicht zu schaudern –
ihres Namens, nicht meines. »Ich war eine Freundin von
Joe Mahan.«
»Jaaa, Joe hat von Ihnen geredet. Nett, Sie
kennenzulernen.« Sie betrachtete mich wie einen
Fettfleck auf einem neuen Anzug. Was mir übrigens
ganz lieb war. Ich hätte mich wirklich unwohl gefühlt,
wenn sie mich gemocht hätte.
»Ich wollte nur vorbeikommen und Ihnen mein
Beileid aussprechen. Sie wissen lassen, daß ich zur
Verfügung stehe, wenn Sie irgendwelche Hilfe
brauchen. Ich bin sicher, daß er Ihnen furchtbar fehlt.«
Sicher – wie einem Säufer purpurne Schlangen und rosa
Elefanten fehlen. Sie hatte um Joe nicht länger getrauert,
als Al Capone auf der Sonntagsschule gewesen war.
»Jaaa, klar fehlt er mir furchtbar. Er war ein feiner
Kerl. Wissen Sie, ich hab‹ einen Termin, und ich bin
noch nicht einmal fertig angezogen, also wenn Sie
nichts dagegen hätten … Wir können uns ja ein
andermal treffen und über Joe reden.«
Ich setzte mich auf den neuen, billigen
frühamerikanischen Sessel in Knallorange, der zu dem
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billigen frühamerikanischen Sofa paßte, und registrierte
den Zigarrenstummel in dem Souvenir-vom-Grand-
Canyon-Aschenbecher
auf
dem
billigen
frühamerikanischen Ahornfurnier-Cocktailtisch.
»Es war sicher schrecklich für Sie, das mit Joe auf
diese Weise zu erfahren«, bemerkte ich und ignorierte
den Rauswurf. »Wie haben Sie es eigentlich erfahren?«
»Was?«
»Ich sagte, wie haben Sie herausgefunden, daß Joe
umgebracht wurde? Wer hat es Ihnen erzählt?« Ich
fischte im Trüben, versuchte sie zum Reden zu bringen
und klammerte mich an Strohhalme.
»Ich wüßte nicht, was Sie das angehen
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