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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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daß die Pekannußbäume
    Knospen trieben. Bei unserem Tempo würde das
    Wasser im Parkteich drei Tage lang rückwärts fließen.
    Dann flogen wir den Montrose Boulevard hinauf,
    überholten lauter Autos, die sämtlich aussahen, als
    hätten sie Wurzeln geschlagen, und kamen mit
    quietschenden Bremsen in einer Seitenstraße beim
    Wohnhotel Plaza zum Stehen. Es war geradezu eine
    Erleuchtung, Gaels Auffassung von sicherer Fahrweise
    zu kennen. Wenn ich das nächste Mal am Steuer saß,
    wollte ich alles tun, damit sie sich gleich noch einmal so
    sicher fühlte wie ich in den vergangenen Minuten.
    Wir betraten die kühle, dunkle Hotelhalle. Ich sagte
    Gael, es sei besser, wenn ich erstmal allein mit Colette
    spräche, damit sie sich nicht gleich von einer Bande
    bedrängt fühlte. Gael war einverstanden und machte
    sich glücklich auf zur Bar.
    Ich ging zum Empfang und zog Erkundigungen ein.
    Der Angestellte war ein schmieriger Schleicher mit
    einem glänzenden, bleistiftdünnen Schnurrbärtchen. Er
    stellte sich taub und blind, bis ich ihm einen Schein
    hinschob, da öffnete er seinen Schnabel und begann zu
    singen wie ein Kanarienvogel. Sie war unter dem
    Namen Colette Chateau in Apartment 403 eingetragen.
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    Er hätte mir auch ihre Lieblingsfarbe, ihr Lieblingslied
    und ihre BH-Größe genannt, wenn ich die Zeit und das
    Geld gehabt hätte.
    »Colette Chateau. Heiliger Strohsack«, knurrte ich
    vor mich hin, während ich mit dem Aufzug in den
    vierten Stock fuhr und an ihre Tür klopfte. Drinnen
    ertönte laut Benny Goodman aus dem Radio. Eine hohe,
    blecherne Stimme quäkte: »Rein mit dir, Zuckerbärchen,
    es ist offen.« Zuckerbärchen ging also rein, weil offen
    war. So wie ich die Sache sah, konnte ich genausogut
    Zuckerbärchen sein wie jeder andere.
    Colette sah die Sache offenbar nicht ganz so wie ich.
    Sie stand mitten im Raum in Positur, angetan mit einem
    Korsett, schwarzen Netzstrümpfen und hohen
    Absätzen. Sie war etwa fünfundzwanzig, und ihr
    Gesicht war so frisch wie der übriggebliebene Salat von
    der Diät, die ich Silvester begonnen und Neujahr
    beendet hatte. Als sie ihre Haare bleichte, hatte sie
    offenbar Mondscheinsilber im Sinn gehabt, aber es hatte
    nur für Stallstreugelb gereicht. Eigentlich hätte sie sich
    Stroh
    aufs
    Haupt
    stecken
    und
    das
    Wasserstoffsuperoxyd
    sparen
    können.
    Ihre
    Augenbrauen hatte sie ausgezupft und neu aufgemalt
    wie Jean Harlow, aber mit der Methode endete die
    Ähnlichkeit auch schon. »Wer sind Sie?« fragte sie mit
    einer Stimme, gegen die jede Marktfrau wie Dorothy
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    Lamour beim Singen eines Wiegenlieds geklungen
    hätte. Sie schnappte sich den rotglänzenden Kimono
    vom Stuhl neben sich und warf ihn über.
    »Ich bin Hollis Carpenter, Miss Chateau.« Ich gab mir
    Mühe, beim Nennen des Namens nicht zu schaudern –
    ihres Namens, nicht meines. »Ich war eine Freundin von
    Joe Mahan.«
    »Jaaa, Joe hat von Ihnen geredet. Nett, Sie
    kennenzulernen.« Sie betrachtete mich wie einen
    Fettfleck auf einem neuen Anzug. Was mir übrigens
    ganz lieb war. Ich hätte mich wirklich unwohl gefühlt,
    wenn sie mich gemocht hätte.
    »Ich wollte nur vorbeikommen und Ihnen mein
    Beileid aussprechen. Sie wissen lassen, daß ich zur
    Verfügung stehe, wenn Sie irgendwelche Hilfe
    brauchen. Ich bin sicher, daß er Ihnen furchtbar fehlt.«
    Sicher – wie einem Säufer purpurne Schlangen und rosa
    Elefanten fehlen. Sie hatte um Joe nicht länger getrauert,
    als Al Capone auf der Sonntagsschule gewesen war.
    »Jaaa, klar fehlt er mir furchtbar. Er war ein feiner
    Kerl. Wissen Sie, ich hab‹ einen Termin, und ich bin
    noch nicht einmal fertig angezogen, also wenn Sie
    nichts dagegen hätten … Wir können uns ja ein
    andermal treffen und über Joe reden.«
    Ich setzte mich auf den neuen, billigen
    frühamerikanischen Sessel in Knallorange, der zu dem
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    billigen frühamerikanischen Sofa paßte, und registrierte
    den Zigarrenstummel in dem Souvenir-vom-Grand-
    Canyon-Aschenbecher
    auf
    dem
    billigen
    frühamerikanischen Ahornfurnier-Cocktailtisch.
    »Es war sicher schrecklich für Sie, das mit Joe auf
    diese Weise zu erfahren«, bemerkte ich und ignorierte
    den Rauswurf. »Wie haben Sie es eigentlich erfahren?«
    »Was?«
    »Ich sagte, wie haben Sie herausgefunden, daß Joe
    umgebracht wurde? Wer hat es Ihnen erzählt?« Ich
    fischte im Trüben, versuchte sie zum Reden zu bringen
    und klammerte mich an Strohhalme.
    »Ich wüßte nicht, was Sie das angehen

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